Freitag, 9. Oktober 2015

Performative Kunsttherapie mit einer jungen Patientin der Inneren Medizin | von Freiheit und Gebundensein



Wie ein Vogel im Käfig“
oder: wie man es für den Moment schafft, sich frei wie ein Vogel zu fühlen
Performative Kunsttherapie mit einer jungen Patientin der Inneren Medizin 



 
Im Frühling 2015 begegnete ich zum ersten Mal einer erstaunlichen und inspirierenden jungen Frau Mitte zwanzig – voller Ideen und Pläne, Schauspielerin zu werden. In ihrer Heimat ist sie bereits eine gefragte Darstellerin.
Mit ihr durfte ich eine meiner rührendsten Zeiten als Kunsttherapeutin, und einfach als Mensch erleben...ich habe mit ihr zusammen begriffen, dass man sterile, emotional eher negativ besetzte Orte - eine Krankenhausstation der Akut-Medizin, gar eine Intensiv-Wachstation (Stillstand – Traurigkeit - Tragik), in lebendige und auch herrlich komische Orte verwandeln, und Situationen miteinander kreieren kann, wo Momente der Schönheit entstehen! Sie können einem im erlebten Moment und dann in der Erinnerung ein Lichtlein im Dunkel des Lebens sein. 

Das Bild oben entstammt dem Film Sleepy Hollow, und zeigt ein Spiel der Optik - einen fliegenden roten Vogel auf der einen, einen Käfig auf den anderen Seite - bei schnellem Drehen der beiden Seiten verschwimmen die Grenzen - der Vogel scheint frei zu fliegen und gleichzeitig im Käfig zu sein. Ein Sinnbild für unser menschliches Leben - voller Freiheit und Gefangen,- Gebunden,- und auch Verbundensein. 

Ich bat sie um ein Feedback für unsere gemeinsame Zeit im Krankenhaus (KH).
Und hier ist es - sie bestätigte mir auch, dass ich die Bilder, die in unseren "Photo Walks" entstanden sind, hier veröffentlichen dürfe. DANKE, meine Liebe! 

+


Meine unvergessliche Zeit mit Gunilla Göttlicher
in einem Akut-Krankenhaus in Berlin
- von LE 

Man sagt immer, dass es im Krankenhaus schlimm, langweilig und traurig ist.
Das ist wohl wahr. Ich lag bald knapp 2 Monate in einem Berliner KH, und durchlitt sehr schwierige Zeiten.
Schlussendlich wurde ich Mitte Mai endlich operiert.

Nach der OP plagten mich v.a. Übelkeit und Erbrechen, wahrscheinlich von der Narkose. Ich lag etwa fast 2 Wochen auf der Chirurgischen Abteilung. Danach sollte ich eigentlich zurück verlegt werden auf die Innere Station, doch ich landete auf der Gynäkologie, eine völlig falsche Abteilung.

Mein Glück, stellte ich danach fest, als die Schwester mich fragte, ob ich vielleicht auch gerne jemand zum Reden hätte – da sagte ich nicht nein, weil ich das nach der schweren Zeit doch sehr gut gebrauchen konnte.

Dann traf ich das erste Mal auf Gunilla Göttlicher.
Mein erster Eindruck von Ihr war: „Wow, was ist das denn für eine verrückte, lustige und aufgestellte Frau, mit einem sehr speziellen Kleidungsstil!“ Ich weiß es noch ganz genau, was sie so trug – ein ganz lustiges Kleid, das kann man schlecht beschreiben, das muss man live gesehen haben. Nun gut, jedenfalls hatten wir 1 Stunde zusammen über Gott und die Welt gesprochen. Wir sprachen darüber, wie ich mich fühlte, dann kam sie und sagte: „Wohl wie ein Vogel im Käfig“, was genau zutraf, so fühlte ich mich. Danach sprachen wir noch darüber, was für uns Freiheit bedeutet.

Nach diesem tollen und lustigen Gespräch fühlte ich mich total entspannt, und einen Moment lang vergass ich sogar, dass ich im KH lag. Ich dachte nur noch, dass ich diese Frau unbedingt wiedersehen möchte. Sie sagte mir auch, dass sie die Woche noch im KH arbeite, und definitiv nochmals vorbeischauen würde.

Am nächsten Tag kam ich wieder auf die richtige Station. Ein paar Tage später kam Gunilla wieder, und wir hatten wieder ein tolles Gespräch, woran sich meine Bettnachbarin auch gerne beteiligt hatte. So hatten wir ein nettes Gespräch zu Dritt.

Nach der Woche musste Gunilla nicht mehr im KH arbeiten, da sie nur die Vertretung von jemand Anderem war. Sie kam jedoch trotzdem noch ein paar Mal zu Besuch. An einen Besuch erinnere ich mich noch sehr gut - 

Ich saß da, in der Cafeteria, mit einer guten Freundin, mit einer Bettnachbarin - da kam Gunilla dazu. Kurz darauf kam die Schwester meiner Bettnachbarin noch dazu, und erzählte eine schlimme Geschichte, man kann schon fast sagen, tragische Geschichte über ihre Mutter, welche im KH lag. Da kam Gunilla mit ihrem Smoothie, hat ihn zuvor geschüttelt, und wollte ihn öffnen, dann gab es ein Chaos auf dem Tisch, überall lag Smoothie – da musste ich doch schmunzeln, aber wollte zu diesem Zeitpunkt wegen der Geschichte doch nicht loslachen, obwohl mir genau danach war.

Gunilla bekam ein Angebot von Herrn Professor [Anm. GG - der Inneren Medizin, im Akut-KH im neubegründeten Palliativbereich] zu arbeiten – das empfand ich als eine super Idee.

Endlich trat für mich der langersehnte Tag auf. Ich durfte Mitte Juni 2015 das KH verlassen, zwar nur für eine Woche, aber ich war überglücklich, dass ich mal in meine Heimat, die Schweiz, zu meinen Liebsten fliegen durfte.

Leider kam alles anders als geplant, und ich konnte wegen meiner Gesundheit erst fast 2 Monate später wieder zurück nach Berlin. Unverhofft landete ich kurz nach meiner Ankunft wieder im Akut-KH, und hatte wieder eine sehr schlechte Zeit – ich pendelte zwischen der Intensiv/ Wachstation und der Normalstation hin und her. In dieser schlimmen Zeit war ich froh, dass Gunilla für mich da war, jeden Dienstag kam sie vorbei, und unternahm etwas Lustiges mit mir. Ich freute mich also immer auf den Dienstag. 

An einem Dienstag lag ich ziemlich kaputt auf der Wachstation, als Gunilla kam. Sie brachte mich zum Lachen. Sie brachte mir eine CD mit Alpenklängen [Anm. GG - Kühe, Kuhglocken, Wiesengeräusche] drauf mit, das beruhigte mich sehr. Als ich zum CT musste, begleitete sie mich, sie musste dann noch eines dieser wunderbaren Spuckbeutelchen für mich holen, und rief ganz leise vor meinem Zimmer „Hallo – Hallo – Hallo“ [Anm. GG - um die Schwester sanft zu rufen, aber auch um die Patientin zu belustigen] - es hörte sich sehr lustig an, sodass ich bei dieser Aktion auch wieder schmunzeln musste, obwohl ich von Schmerzen und Übelkeit geplagt war.

Nach den Dienstagen war Gunilla jedoch nicht aus der Welt – wir hatten reglmäßig auch in der Zeit, als ich in der Schweiz war, Kontakt via Whatsapp. 


Es gab Dienstage, da ging Gunilla mit mir und meinem Rollstuhl raus spazieren – erst kauften wir uns ein Getränk, was wir auf dem Weg tranken und erkundeten die Gegend außerhalb des KHs. Wir erlebten dabei viele lustige Dinge, und hielten die Momente fotografisch fest. Wir fuhren über die Autobahnbrücke, und versuchten Seifenblasen auf die Autobahn zu lassen - leider flogen sie meistens immer in die Gegenrichtung. Auf dem Weg lagen einige Zeichnungen mit Aufschriften wie „I love you“ und einem Herz auf dem Boden, - das mussten wir gleich auch fotografisch festhalten. 



An einem anderen Dienstag fuhren wir wieder raus, und erkundeten die andere Richtung. Wir schauten uns die Häuser in der Gegend an – da stießen wir tatsächlich auf ein fliegendes Blatt [Anm. GG - ein tanzendes, sich drehendes Blatt, an einer Spinnwebe], was wir beide sehr lustig fanden [Anm. GG - und lange beim magischen Tanz beobachteten, wie in einem Film].

An einem Dienstag holte Gunilla Ihr Kunst-Utensil aus einem Besprechungsraum raus, und wir gingen in den Garten.
Als ich einen Moment lang alleine war, malte ich das, was ich gerade sah, im Garten bzw. was gerade vor mir stand, und machte mit dem Pustefix immer wieder ein paar Seifenblasen. Doch plötzlich hatte ich wieder starke Schmerzen, und konnte nichts mehr sagen, und mich vor Schmerzen kaum mehr bewegen – ich war so froh, dass Gunilla und die Ärztin sehr rasch zur Stelle waren, und mich ins Zimmer begleiteten. Gunilla blieb bei mir, bis es mir ein wenig besser ging. 


Ich erzählte Gunilla von meinem Plan, mal einen Kurzfilm aus meiner Geschichte zu machen. Sie fand, dass das eine sehr gute Idee sei, und wir sprachen ein wenig darüber. 


Nun gut, schlussendlich erzählte ich ihr auch, dass ich am Liebsten wieder in meine Heimat zurückgehen will, und dies leitete sie an meine Ärztin weiter. Am nächsten Tag erzählte mir die Ärztin, dass sie alles dafür tun würde, dass mein Wunsch auch schnellstmöglichst in Erfüllung gehen kann.

Eine Woche später kamen meine Eltern zu Besuch, und dann klappte es endlich, dass ich zwar ziemlich abgeschwächt, aber sehr glücklich, mit meinen Eltern zusammen das KH verlassen durfte. Ich war froh, dass ich ein Tag vor der Entlassung noch schöne und lustige Stunden mit Gunilla erleben durfte. 




Schlussendlich versüßte Gunilla meine gesamte Krankenhaus-Zeit. Sie ließ mich kurzweilig vergessen, dass ich überhaupt im Krankenhaus lag. Nach jedem Dienstag fühlte ich mich richtig glücklich und zufrieden.

Aber auch nach wie vor pflegen Gunilla und ich einen herrlichen Kontakt via Whatsapp - und sobald ich wieder in Berlin bin, werden wir uns wieder treffen, sei es zu einem Prosecco in Kreuzberg, wo wir beide leben, oder zu einem unserer herrlichen Dienstage!
Ich freue mich schon riesig auf diesen Moment!

Unvergessliche, wunderbare Momente bleiben.

(07.10.2015)


Thanks web for pics - thanks L for pics - some pics are mine!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen