Sonntag, 30. September 2018

TeamCare in der Palliativmedizin | Ein Ausstellungsevent von und für die Mitarbeiter einer Lungenklinik


TeamCare in der Palliativmedizin
Ein Ausstellungsevent von und für die Mitarbeiter einer Lungenklinik 

 "Prost!" mit Gurke Holunder | Heiteres Miteinander bei der Vernissage

Die „hässliche Ecke“ vor dem Palliativbereich war es, die uns, die Oberärztin der Palliativmedizin und mich, auf den Plan rief, gemeinsam die Ecke neu zu überdenken. Ich zeigte ihr ein paar Vorschläge von Wandgestaltungen in Hospizen und Palliativstationen; dort gab es für die Gäste eine Bilderwand mit u.a. Bildern von Schauspielern der 60er Jahre. Es zeigte sich, dass an der Wand Bilder hängen sollten, die uns gefallen, und die wir durch das Freie Assoziieren finden. Die Idee einer Assoziationswand, mit Team-Fokus, war geboren. Und weiter: warum nicht gemeinsam eine Ausstellung gestalten, in der sich alle an der Palliativmedizin Beteiligten, wie Pflege- und Servicekräfte, Therapeuten und Patientenbegleiter, Sozialdienst und Ärzte, mit einbringen und miteinander Vernissage feiern.
Die „Eventtherapie“, eine Form des Feierns des besonderen Augenblickes für Patienten, unter Mitwirkung mehrerer Mitglieder des Palliativteams, gibt es in der Lungenklinik schon länger. Für Patienten legt man sich ins Zeug, entwickelt zündende Ideen.

Aber was tut man für sich selbst?
Wie oft schon habe ich resümierend den Satz gehört: „Ich war immer nur für die Anderen da.“ Das Gros findet sich damit ab. Es gibt jedoch auch Andere, die in Klinikaufenthalten und Psychotherapien gelernt haben, sich selbst wichtiger zu nehmen. Ein Ansatz, der den Prozess der Wertschätzung des Eigenen und das Lebendigsein im Leben betont.

Wenn meine Seele grau ist – nichts macht mehr Sinn“ (Ich und Ich)
Gerade bei Menschen in sozialen Berufen, potenziert im palliativen Bereich wegen seiner Intensität, zeigt sich oftmals ein BurnOut, ein Ausgebranntsein. Die innere Leere, wenn wir mehr geben und nicht wirklich nehmen; z.B. Zeit und Raum nehmen für uns selbst: Unsere Ressourcen. Wir wissen auch selten, was uns beruhigen kann. Wir funktionieren in einem Regelwerk, familiär übernommen, und nicht hinterfragt. Was wir lieben, wofür wir leben, gar brennen, was uns und unsere Lebensenergie als einzigartiges Individuum ausmacht, wissen wir oft nicht. Wir leben stattdessen ein Leben im Hamsterrad und fallen auf unsere neuronal-feuernden Gedanken von steter Geschäftigkeit rein. Auf der Strecke bleibt dann die Leichtigkeit und v.a. die Lebensfreude. Gerade sie ist es, die wir im palliativen Bereich so dringend als Ressource brauchen.

Das Grundrecht auf Glück
Wir haben ein Grundrecht, glücklich zu sein. Das buddhistische Königreich Bhutan mit seinem Ansatz des „Bruttonationalglücks“ lebt es uns vor. Wir sind angehalten, uns Raum für uns zu nehmen. Was können wir tun, um uns glücklicher sein zu lassen? Eine mögliche Antwort könnte lauten: Kurze Auszeiten im Alltag. Erlebtes bewusst verarbeiten. Atmen, Sein. Sein-Lassen. Und die Sinne ansprechen: Bewusst wahrnehmen und unseren eigenen Sinn aufspüren. Unseren „Inneren Kompass“ (persönliche Werte und Würde) kennenlernen. Das kann ich für mich selbst, durch Training, tun. Was für das eigene Glück genauso wichtig ist: sich verbunden zu fühlen. Der Neurobiologe Gerald Hüther, der sich u.a. mit Themen wie Verbundenheit, Würde und auch Liebe (bedingungslos) auseinandersetzt, plädiert mit interdisziplinär arbeitenden Wissenschafts-Kollegen, für eine neue Kultur/ Haltung der liebevollen Verbundenheit. Sie kann uns alle „anstecken“ durch Ermunterung, Inspiration und Einladung, uns vom „Konsumenten zum Potentialentfalter“ zu wandeln.

Eine Oase im Klinikalltag
Das TeamCare-Event „Assoziationswand“ ist so eine Möglichkeit für einen Zwischenraum. In dieser Oase wird einmal durchgeatmet, man kommt zum gemeinsamen Feiern einer sinn(en)reichen Ausstellung zusammen. Vier solcher Events gab es bereits. Die Themen wurden von Mitarbeitern vorgeschlagen. Die erste Ausstellung trug den Titel „Erinner‘ mich an Liebe!“. Die zweite hieß „Ich und Du“; „WUNDER“ und „Träume!“ folgten.
Es zeigte sich, dass es günstig ist, dass jemand die Planung innehat, und punktuell die Kollegen zu allem Anstehenden einlädt. Zu Beginn wird im Team ein Thema gefunden. Die Vorbereitungszeit dauert ca. zwei Monate. Etwas später folgt die erste Einladungs-Email an die Kollegen. Beschrieben wird in dieser Mail kurz das Prozedere: wie man sich an der Ausstellung mit Bildern beteiligen kann; bis wann die Bilder zur Sammelstelle kommen sollen, wann und wo gehängt und gefeiert wird.
Wenn zweieinhalb bis drei Wochen vorher der Termin naht, schreibe ich erneut einen einladenden Reminder. Und ich „streue“ die Einladung immer da, wo ich gerade bin; lade alle Mitarbeiter ein (über den Palliativbereich hinaus), die offen dafür sind. Vieles läuft über ein positives Gefühl. Freude steckt an. Im Vorfeld wurden auch Galerieschienen mit Strippen und Haken angebracht; Bilderrahmen habe ich besorgt. 

 GG beim Aufbau der Ausstellung "Träume!"
 
Der Ausstellungsaufbau – ein „Event“ für sich
Der Aufbau ist umfangreich. Manche Kollegen bringen ihre Werke in den Sammelraum; zumeist hole ich die Werke direkt ab, bzw. habe per Mailing Digitalbilder zugeschickt bekommen. Manchmal sind Texte darunter, die ich noch in eine Bildform bringe. Mit meinem Seelsorger-Kollegen sind wir mittlerweile ein gutes Team: Wir orten die Bilder, passen sie in die Rahmen ein – sehen sie uns in der Übersicht an – ordnen – und fangen an zu hängen: Die Bezüge und Themenfelder ergeben sich bei der Hängung. Ein intensives Geschehen. Kollegen und Patienten kommen vorbei. Sofort entstehen Gespräche über die Bilder. Wenn eine stimmige Hängung gefunden wurde, ist es wie ein Heureka! Dann noch das Finish: Auf einer Staffelei steht die Vernissage-Ankündigung. An der Wand bringe ich eine Ausstellungs-Info an. 

Buffet-Varianten | Zu "WUNDER" und "Träume!" 
 
Genuss pur
Das Buffet ist das Highlight der Vernissage. Es wird nahe der Bilderwand aufgebaut. In Absprache mit den Kollegen gibt es neben Süßem auch Herzhaftes. Manchmal Besonderes wie russisch-ukrainische Pfannkuchen mit Kaviar, Lachs und Frischkäse, Früchten und Gemüse. Mir persönlich ist die Ästhetik des Events wichtig, sodass ich eine stimmige Dekoration organisiere. Eine Kollegin konnte ich für das Experiment Bowle Gurke-Holunder gewinnen, wovon wir noch heute schwärmen. Ein Kollege brachte passend zum Thema „Träume!“ eine herrliche „Traumschaumcreme“ mit. Und ein anderer Kollege kreierte zum Thema „WUNDER“ einen fröhlichen „Wunderkuchen“, mit Glasur und bunten Streuseln. 

 
GG spricht einführende Worte zur Ausstellung "Träume!"

Sinnen, Singen und Schmausen – Die Vernissage
Wir sammeln uns zur Ausstellung an der Bilderecke auf Station. Einführend spreche zumeist ich ein paar Worte, weise auf entstandene Themenfelder und mögliche Blickrichtungen hin. Manchmal rezitiere ich dazu einen Text. Ich inszeniere mein Äußeres passend zum Thema. Gelegentlich kann ich Kollegen für einführende Worte gewinnen. Da sich zum Thema zumeist auch Lieder-Texte gesellen, singen wir gemeinsam, begleitet u.a. von unserem Seelsorger und seiner Gitarre, oder lassen einen Interpreten singen. Hier erklangen bereits u.a. Lieder wie „I have a dream“ von ABBA (zu „WUNDER“) und „Imagine“ von John Lennon (zu „Träume!“). Dann schwenken wir hinüber zum Buffet. Da es gemeinschaftlich gestaltet wurde, hebe ich gerne die Urheber hervor, und betone die kreative Schöpfung. Abrundende Musik läuft dann im Hintergrund. Glückkeksbotschaften ergeben eine weitere Collage. Nach ca. einer bis max. eineinhalb Stunden beenden wir die Feier. Hier helfen alle zusammen; feine „Buffet-Reste“ gehen an die Stationsteams. Die Ausstellung bleibt bis zur nächsten Feier hängen. 

"Glaube, dass es machbar ist" | Team-Ritual mit Glückskeksbotschaften 
 
Die Ausstellung als Einladung zum Gespräch
Sie dient als Inspiration für alle Menschen, die an ihr vorbeigehen. Sie wird oftmals von mir und auch meinen Kollegen als Ort zum Innehalten und zur Aufmerksamkeitsverlagerung genutzt.

Dokumentation im Bild
Ich halte das Event im Bild fest. Meine Kamera geht herum. Die Idee ist, spontan Schnappschüsse zu schießen. Diese sind sehr aussagekräftig; sie zeigen Menschen in Freude, beim Lachen und Schäkern in gutem Miteinander. Ich wähle dann Bilder aus, gestalte eine Collage als PDF, die ich als Dankeschön-Mail verschicke. Zudem mache ich Werbung auf den Stationen mit ausgedruckten Collagen in Farbe und berichte, wie fein es war.

Freude potenziert sich
Ich lade gerne ein, daher wissen die Kollegen in den Pflegeteams um dieses Event, können aber nicht immer mit dabei sein. Da sich aber die Idee als TeamCare-Event herumgesprochen hat, bin ich jüngst von einer anderen Station angesprochen worden, ein Event dort mitzuorganisieren. Hier stehe ich eher mit gutem Rat zur Seite, da sie im Team selbstorganisiert an die Sache herangehen. Einen gemeinsamen Termin haben wir schon; bis dahin müssen noch die Bedingungen für eine Ausstellungswand (Galerieschiene, Bilderrahmen) organisiert werden. An einem Thema „feilen“ sie bereits, und ich sehe ihr Leuchten in den Augen, wenn sie von ihren Überlegungen sprechen.

Begeisterung ist übergesprungen, und ich bekomme immer mehr Freude zurück; was mich wiederum motiviert, an der öffnenden Idee des Wir!, und der besonderen Verbundenheit, weiterzuarbeiten.

Ausstellungshängung | "WUNDER"

 

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