TeamCare
in der Palliativmedizin
Ein Ausstellungsevent von und für
die Mitarbeiter einer Lungenklinik
"Prost!" mit Gurke Holunder | Heiteres Miteinander bei der Vernissage
Die
„hässliche Ecke“ vor dem Palliativbereich war es, die uns, die
Oberärztin der Palliativmedizin und mich, auf den Plan rief,
gemeinsam die Ecke neu zu überdenken. Ich zeigte ihr ein paar
Vorschläge von Wandgestaltungen in Hospizen und Palliativstationen;
dort gab es für die Gäste eine Bilderwand mit u.a. Bildern von
Schauspielern der 60er Jahre. Es zeigte sich, dass an der Wand Bilder
hängen sollten, die uns gefallen, und die wir durch das Freie
Assoziieren finden. Die Idee einer Assoziationswand, mit Team-Fokus,
war geboren. Und weiter: warum nicht gemeinsam eine Ausstellung
gestalten, in der sich alle an der Palliativmedizin Beteiligten, wie
Pflege- und Servicekräfte, Therapeuten und Patientenbegleiter,
Sozialdienst und Ärzte, mit einbringen und miteinander Vernissage
feiern.
Die
„Eventtherapie“, eine Form des Feierns des besonderen
Augenblickes für Patienten, unter Mitwirkung mehrerer Mitglieder des
Palliativteams, gibt es in der Lungenklinik schon länger. Für
Patienten legt man sich ins Zeug, entwickelt zündende Ideen.
Aber
was tut man für sich selbst?
Wie
oft schon habe ich resümierend den Satz gehört: „Ich war immer
nur für die Anderen da.“ Das Gros findet sich damit ab. Es gibt
jedoch auch Andere, die in Klinikaufenthalten und Psychotherapien
gelernt haben, sich selbst wichtiger zu nehmen. Ein Ansatz, der den
Prozess der Wertschätzung des Eigenen und das Lebendigsein im Leben
betont.
„Wenn
meine Seele grau ist – nichts macht mehr Sinn“
(Ich
und Ich)
Gerade
bei Menschen in sozialen Berufen, potenziert im palliativen Bereich
wegen seiner Intensität, zeigt sich oftmals ein BurnOut, ein
Ausgebranntsein. Die innere Leere, wenn wir mehr geben und nicht
wirklich nehmen; z.B. Zeit und Raum nehmen für uns selbst: Unsere
Ressourcen. Wir wissen auch selten, was uns beruhigen kann. Wir
funktionieren in einem Regelwerk, familiär übernommen, und nicht
hinterfragt. Was wir lieben, wofür wir leben, gar brennen, was uns
und unsere Lebensenergie als einzigartiges Individuum ausmacht,
wissen wir oft nicht. Wir leben stattdessen ein Leben im Hamsterrad
und fallen auf unsere neuronal-feuernden Gedanken von steter
Geschäftigkeit rein. Auf der Strecke bleibt dann die Leichtigkeit
und v.a. die Lebensfreude. Gerade sie ist es, die wir im palliativen
Bereich so dringend als Ressource brauchen.
Das
Grundrecht auf Glück
Wir
haben ein Grundrecht, glücklich zu sein. Das buddhistische
Königreich Bhutan mit seinem Ansatz des „Bruttonationalglücks“
lebt es uns vor. Wir sind angehalten, uns Raum für uns zu nehmen.
Was können wir tun, um uns glücklicher sein zu lassen? Eine
mögliche Antwort könnte lauten: Kurze Auszeiten im Alltag. Erlebtes
bewusst verarbeiten. Atmen, Sein. Sein-Lassen. Und die Sinne
ansprechen: Bewusst wahrnehmen und unseren eigenen Sinn aufspüren.
Unseren „Inneren Kompass“ (persönliche Werte und Würde)
kennenlernen. Das kann ich für mich selbst, durch Training, tun. Was
für das eigene Glück genauso wichtig ist: sich
verbunden zu fühlen.
Der Neurobiologe Gerald Hüther, der sich u.a. mit Themen wie
Verbundenheit, Würde und auch Liebe (bedingungslos)
auseinandersetzt, plädiert mit interdisziplinär arbeitenden
Wissenschafts-Kollegen, für eine neue Kultur/ Haltung der
liebevollen Verbundenheit. Sie kann uns alle „anstecken“ durch
Ermunterung, Inspiration und Einladung, uns vom „Konsumenten zum
Potentialentfalter“ zu wandeln.
Eine
Oase im Klinikalltag
Das
TeamCare-Event „Assoziationswand“ ist so eine Möglichkeit für
einen Zwischenraum. In dieser Oase wird einmal durchgeatmet, man
kommt zum gemeinsamen Feiern einer sinn(en)reichen Ausstellung
zusammen. Vier solcher Events gab es bereits. Die Themen wurden von
Mitarbeitern vorgeschlagen. Die erste Ausstellung trug den Titel
„Erinner‘ mich an Liebe!“. Die zweite hieß „Ich und Du“;
„WUNDER“ und „Träume!“ folgten.
Es
zeigte sich, dass es günstig ist, dass jemand die Planung innehat,
und punktuell die Kollegen zu allem Anstehenden einlädt. Zu Beginn
wird im Team ein Thema gefunden. Die Vorbereitungszeit dauert ca.
zwei Monate. Etwas später folgt die erste Einladungs-Email an die
Kollegen. Beschrieben wird in dieser Mail kurz das Prozedere: wie man
sich an der Ausstellung mit Bildern beteiligen kann; bis wann die
Bilder zur Sammelstelle kommen sollen, wann und wo gehängt und
gefeiert wird.
Wenn
zweieinhalb bis drei Wochen vorher der Termin naht, schreibe ich
erneut einen einladenden Reminder. Und ich „streue“ die Einladung
immer da, wo ich gerade bin; lade alle Mitarbeiter ein (über den
Palliativbereich hinaus), die offen dafür sind. Vieles läuft über
ein positives Gefühl. Freude steckt an. Im Vorfeld wurden auch
Galerieschienen mit Strippen und Haken angebracht; Bilderrahmen habe
ich besorgt.
GG beim Aufbau der Ausstellung "Träume!"
Der
Ausstellungsaufbau – ein „Event“ für sich
Der
Aufbau ist umfangreich. Manche Kollegen bringen ihre Werke in den
Sammelraum; zumeist hole ich die Werke direkt ab, bzw. habe per
Mailing Digitalbilder zugeschickt bekommen. Manchmal sind Texte
darunter, die ich noch in eine Bildform bringe. Mit meinem
Seelsorger-Kollegen sind wir mittlerweile ein gutes Team: Wir orten
die Bilder, passen sie in die Rahmen ein – sehen sie uns in der
Übersicht an – ordnen – und fangen an zu hängen: Die Bezüge
und Themenfelder ergeben sich bei der Hängung. Ein intensives
Geschehen. Kollegen und Patienten kommen vorbei. Sofort entstehen
Gespräche über die Bilder. Wenn eine stimmige Hängung gefunden
wurde, ist es wie ein Heureka! Dann noch das Finish: Auf einer
Staffelei steht die Vernissage-Ankündigung. An der Wand bringe ich
eine Ausstellungs-Info an.
Buffet-Varianten | Zu "WUNDER" und "Träume!"
Genuss
pur
Das
Buffet ist das Highlight der Vernissage. Es wird nahe der Bilderwand
aufgebaut. In Absprache mit den Kollegen gibt es neben Süßem auch
Herzhaftes. Manchmal Besonderes wie russisch-ukrainische Pfannkuchen
mit Kaviar, Lachs und Frischkäse, Früchten und Gemüse. Mir
persönlich ist die Ästhetik des Events wichtig, sodass ich eine
stimmige Dekoration organisiere. Eine Kollegin konnte ich für das
Experiment Bowle Gurke-Holunder gewinnen, wovon wir noch heute
schwärmen. Ein Kollege brachte passend zum Thema „Träume!“ eine
herrliche „Traumschaumcreme“ mit. Und ein anderer Kollege
kreierte zum Thema „WUNDER“ einen fröhlichen „Wunderkuchen“,
mit Glasur und bunten Streuseln.
GG spricht einführende Worte zur Ausstellung "Träume!"
Sinnen,
Singen und Schmausen – Die Vernissage
Wir
sammeln uns zur Ausstellung an der Bilderecke auf Station. Einführend
spreche zumeist ich ein paar Worte, weise auf entstandene
Themenfelder und mögliche Blickrichtungen hin. Manchmal rezitiere
ich dazu einen Text. Ich inszeniere mein Äußeres passend zum Thema.
Gelegentlich kann ich Kollegen für einführende Worte gewinnen. Da
sich zum Thema zumeist auch Lieder-Texte gesellen, singen wir
gemeinsam, begleitet u.a. von unserem Seelsorger und seiner Gitarre,
oder lassen einen Interpreten singen. Hier erklangen bereits u.a.
Lieder wie „I have a dream“ von ABBA (zu „WUNDER“) und
„Imagine“ von John Lennon (zu „Träume!“). Dann schwenken wir
hinüber zum Buffet. Da es gemeinschaftlich gestaltet wurde, hebe ich
gerne die Urheber hervor, und betone die kreative Schöpfung.
Abrundende Musik läuft dann im Hintergrund. Glückkeksbotschaften
ergeben eine weitere Collage. Nach ca. einer bis max. eineinhalb
Stunden beenden wir die Feier. Hier helfen alle zusammen; feine
„Buffet-Reste“ gehen an die Stationsteams. Die Ausstellung bleibt
bis zur nächsten Feier hängen.
"Glaube, dass es machbar ist" | Team-Ritual mit Glückskeksbotschaften
Die
Ausstellung als Einladung zum Gespräch
Sie
dient als Inspiration für alle Menschen, die an ihr vorbeigehen. Sie
wird oftmals von mir und auch meinen Kollegen als Ort zum Innehalten
und zur Aufmerksamkeitsverlagerung genutzt.
Dokumentation
im Bild
Ich
halte das Event im Bild fest. Meine Kamera geht herum. Die Idee ist,
spontan Schnappschüsse zu schießen. Diese sind sehr aussagekräftig;
sie zeigen Menschen in Freude, beim Lachen und Schäkern in gutem
Miteinander. Ich wähle dann Bilder aus, gestalte eine Collage als
PDF, die ich als Dankeschön-Mail verschicke. Zudem mache ich Werbung
auf den Stationen mit ausgedruckten Collagen in Farbe und berichte,
wie fein es war.
Freude
potenziert sich
Ich
lade gerne ein, daher wissen die Kollegen in den Pflegeteams um
dieses Event, können aber nicht immer mit dabei sein. Da sich aber
die Idee als TeamCare-Event herumgesprochen hat, bin ich jüngst von
einer anderen Station angesprochen worden, ein Event dort
mitzuorganisieren. Hier stehe ich eher mit gutem Rat zur Seite, da
sie im Team selbstorganisiert an die Sache herangehen. Einen
gemeinsamen Termin haben wir schon; bis dahin müssen noch die
Bedingungen für eine Ausstellungswand (Galerieschiene, Bilderrahmen)
organisiert werden. An einem Thema „feilen“ sie bereits, und ich
sehe ihr Leuchten in den Augen, wenn sie von ihren Überlegungen
sprechen.
Begeisterung
ist übergesprungen, und ich bekomme immer mehr Freude zurück; was
mich wiederum motiviert, an der öffnenden Idee des Wir!,
und der besonderen Verbundenheit,
weiterzuarbeiten.
Ausstellungshängung | "WUNDER"
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