Samstag, 20. Oktober 2018

Von der Regentrude | Liebe als Haltung


Von der Regentrude oder: Verliebe dich in das Leben!

 Liebe als Haltung - Im Rahmen von Kunsttherapie im schmerzmedizinischen und palliativen Feld
Teil 1 – Vom In-Liebe-Sein (be in love) 


Entwicklungsstand: 20.10.2018



Seit geraumer Zeit beobachte ich genauer, wie ich mich im Miteinander mit Menschen gebe und meinen Umgang pflege. Mit Patienten und auch mit Kollegen in meinen beiden Kliniken, in denen ich als Kunsttherapeutin für Palliativ- und auch Schmerzpatienten tätig bin. Ich sehe auch die jeweilige Wirkung meiner Kollegen, und erlebe damit ein breites Spektrum an Möglichkeiten des Wirkens. Wir wirken durch das, was wir selbst von uns glauben, was unsere Haltung, dem Leben gegenüber, ausmacht. „Where Fokus goes Energy flows“ weiß diesen Fokus und seine Wirkkraft zu benennen. Je mehr Bewusstsein ich von diesem Fokus habe, desto wirksamer kann ich mich einbringen bzw. mich auch klar abgrenzen.

Forschungsfeld: Eigene Anteile erkennen und weiterentwickeln
Ich denke, dass wir unsere persönliche Lebenseinstellung, gar Haltung, unsere Lebensenergie, Gewordensein und Werden, in jede Situation zwischenmenschlich einbringen. Und dass sie sich mischt mit der unseres jeweiligen Gegenübers, und dann zu etwas Neuem, Dritten werden kann. Ich bin immer wieder verblüfft, wie hier etwas in Bruchteilen von Sekunden zusammenkommt (sich anzieht) oder auseinanderklafft (sich abstößt). Welche Anteile von uns im Anderen angesprochen werden und sich entfalten. Ich denke, wir können uns jeweils nie in der Ganzheit sehen. Wir erkennen im Anderen Anteile, weil sie in uns selbst sind. Was wir nicht in uns entwickelt haben, können wir auch nur schwer im Anderen erkennen bzw. schreiben es lediglich dem Anderen zu. Manchmal machen wir uns auf die Suche: wenn wir zuerst vom Anderen und seinem Verhalten irritiert, dann auch seltsam emotional angeregt sind; und sich eine neue Frage, zu einem vielleicht neuen Anteil in uns regt, vielleicht gar neugierig und ein wenig in Liebe für das Neuartige, noch Fremde sind. Dann überwinden wir unsere Angst, und v.a. auch den Neid, und begeben uns auf noch unbekanntes Terrain. Erkunden das Fremde. Ein zutiefst kreativer und mutiger Akt, der schöpferische Kräfte in uns freisetzen kann. Das, was uns dann antreibt, ist die Liebe. Die Liebe vermag die Angst vor dem Fremden zu überwinden, weil da etwas ist, was wir erkunden wollen. 

Das Feld der Anteile
Dieses energetische Wirkungsfeld unterschiedlicher Anteile, bei einem selbst und mit Anderen zu erkennen, und auch anerkennen zu können, ist wesentlich für meine therapeutische Arbeit. Es ergibt sich über die Zeit aus den reflektierten Erfahrungen, die wir mit Anderen machen können. Aus den Persönlichkeitsanteilen, die nahezu nur im Miteinander erlebbar werden. Wir versuchen, erklärt durch das neurobiologische Wirken, und auch aus der Gestaltpsychologie heraus, in der Form, die uns entgegenkommt, Bekanntes zu erkennen, gleichen ab, bewerten, empfinden Lust/Unlust, Sympathie/Antipathie. Der Andere wird in Sekundenbruchteilen zu einer Projektion von Bekanntem oder Unbekanntem. Genau dieses Forschungsfeld von persönlichen Anteilen, manchmal mit Übertragung/ Gegenübertragung als komplexeres Geschehen, ist für mich essentiell. Und in diesen Beziehungsgeflechten habe ich entdeckt, und bin weiterhin am Entdecken, wer oder besser was als authentisches Projektionsangebot und -fläche für Andere wirken kann. Diese Anteile sind Rollenzuschreibungen und auch kollektiv archetypische Anteile, mehr oder weniger in jedem von uns ausgeprägt.


Frühlingsgöttin - Die Welt der Lumi Divine

Inspirieren, ermutigen, einladen
Ganz einfach gesprochen, war ich hier durch das revitalisierende, manchmal gar potential-entfaltende Wirkfeld der Kunsttherapie, bereits in der Zuschreibung die Lieblingslehrerin, liebste Schwester, Freundin und Seelenpartnerin. Für manche Menschen ist gelebte Lebensfreude allerdings zu Beginn des Kennenlernens unwirklich, und schreckt sie ab. Sie haben es (noch) nicht in sich entwickelt. Manche hinterfragen sich jedoch und entdecken auch peu à peu diese Freude in sich, ohne sie dem Anderen weiterhin neiden oder absprechen zu müssen. Ich, als Therapeutin, praktiziere Achtsamkeit (mit auch allem Widerständigen), v.a. mit dem Fokus, Gefühle und Gedanken sein und auch wieder gehen lassen zu können (nicht bewerten).
Und ich verbinde mich immer mehr mit einer freimütigen Haltung der Liebe, ermutigt durch die neue wissenschaftliche Bewegung , die sich mit Verbundenheit, Würde und auch bedingungsloser Liebe auseinandersetzt (Hüther u.a.). Gefühle in all ihren Spielformen, aber doch besonders die positiven Gefühle, und alles, was das Leben lebendig sein läßt, gehören zu meinem Forschungsfeld. Überhaupt lebe ich ein Leben als stetigen Prozess des Werdens, in dem ich mich entwickle, probiere und spielerisch Leben erkunde. Ich übe mich in einer mich glücklich-sein-lassenden und auch herausfordernden (ab durch die Angst) Lebenskunst. Immer wieder.
Positive Zuschreibungen von Märchenfiguren, auch wegen meines authentisch inszenierten Äußeren, kamen von Anfang an dazu: Von einem Aschenbrödel, Astrid-Lindgren-Figuren, über Mary Poppins, bis hin zu einer Elfe und auch einer Fruchtbarkeitsgöttin, der Regentrude.
Zusammenfassend ein Wirkfeld der Räume öffnenden, schöpferischen Inspiration, gar einer phantastischen Anderswelt und Seelendimension. Wahrnehmbar für all die Menschen, die sich dem öffnen können und auch wollen.

Wie die Regentrude wieder zum Leben erwachte

Dunst ist die Welle,
Staub ist die Quelle!
Stumm sind die Wälder,
Feuermann tanzet über die Felder!
Nimm dich in acht!
Eh du erwacht,
Holt dich die Mutter
Heim in die Nacht!



Bei der Regentrude, einem Märchen von Theodor Storm, möchte ich gerne einmal stehenbleiben und es näher beleuchten. Das Märchen ist mir mittlerweile schon zweimal in meiner therapeutischen Arbeit begegnet.

Hier das Märchen – Projekt Gutenberg (Textfassung)
http://gutenberg.spiegel.de/buch/die-regentrude-3478/1

Hier das Hörspiel (1986) -
https://www.youtube.com/watch?v=LXjujVgBmN8

Das erste Mal im Beatmungszentrum einer Lungenklinik, mit einer älteren Patientin, mit der ich Brückenarbeit (Wiedergewinnung von Leben durch Bewusstwerdung das im Koma Leben verarbeitet/ geträumt wurde) machen durfte. Sie war wegen einer langjährigen COPD in ein CO2-Koma gefallen. Ich lernte sie kennen, als sie darüber schon fast hinweg war; sie hatte es noch nie jemandem erzählt, weil es ihr im ersten Moment nicht wesentlich erschien, und dadurch fast in Vergessenheit geriet. Meine Art, mit einem zumeist strahlenden Lächeln in den Raum zu kommen, hatte sie daran erinnert, berichtete sie mir.
Im Koma, das wie ein langanhaltendes Traumgeschehen anmuten kann, war in ihr alles wie „verdorrt“ bzw. „versenkt“ durch Hitze: Der Feuermann aus dem Märchen sprang über die Felder, und sie wusste im Traum, dass die Regentrude, eine Fruchtbarkeitsgöttin, ihr Werk mit Regen und Wasser nicht vollbringen konnte. Sie war, wie im Märchen, vergessen worden, weil keiner mehr an sie glaubte. Ganze Seen waren wasserleer, stillgelegt. Sie wanderte kilometerlang über den Seeboden und dachte, sie würde verdursten. Ich brachte ihr Kopien des Märchens, und wir unterhielten uns darüber. Dadurch lernte ich die Regentrude kennen. Sie verband sie mit mir; im Gespräch erstand sie neu und brachte ihr ihre „Quelle“, ihre Kreativität und Phantasie (Welt der Märchen und Mythen), ihre Lebenslust und auch ihren Humor, wie einen Schlüssel zurück.
Ähnlich der jungen Maren im Märchen, die in Liebe zu ihrem Andrees handelt, und sich auf den Weg macht, den fast vergessenen Mythos zum Leben zu erwecken. Die Regentrude, mit dem mutigen Liebespaar, als Sinnbild für Yin und Yang, um die weiblich-wildzarte und damit machtvolle Lebendigkeit und eigene Lebens-Quelle der Patientin zum Leben zu erwecken.


"Kritzeleien" über die Regentrude im Gästebuch

Das zweite Mal begegnete mir die lebensspendende Trude mit ihrer mutigen Maren, in meiner kunsttherapeutischen Schmerzgruppe (Multimodale Schmerztherapie); eine Teilnehmerin fragte mich, ob ich eine gelungene Illustration des Märchens kennen würde. Sie würde keine kennen. Sie war eine begnadete Zeichnerin, die ihr Zeichnen als „Kritzeln“ benannte. Ebenso eine wild-störrische Frau, mild kratzbürstig, umwoben von einem Hauch 68er-Flowerpower-Revolte. Ich machte ihr den Vorschlag, sich selbst an eine Illustrierung des Märchens zu wagen. Sie verneinte. Sie wollte nicht und irgendwie doch. Sie „vermachte“ dann der Kunsttherapie alle ihre fein colorierten Zeichnungen. Und zu meiner Überraschung fand ich dann in unserem Gästebuch einen doppelseitigen Eintrag dieser Teilnehmerin, die in den psychotherapeutischen Gruppensitzungen, auf ihren Knien, junge, zarte Frauen gezeichnet hatte. Sie erinnern allesamt an eine Illustration der Regentrude. Somit hatte sie sich doch noch der Trude, dieser fast vergessenen Großen Göttin, der schönen, anmutigen und jungen Frau, und damit ihrer eigenen Quelle, Lebendigkeit und v.a. Schönheit, angenommen.

Maren ist in Liebe und findet den Schlüssel zur Quelle
Zweimal schon durfte ich bewusst miterleben,was das Gefühl des Verliebt-Seins bzw. des In-Liebe-Seins mit Menschen macht, die sich in der letzten Etappe ihres Lebens befinden. Herkömmlich verstandenes Verliebt-Sein als Zustand trifft es nicht ganz: es erscheint mir zu fixiert auf einen Partner; hier ist vielmehr das größere In der Liebe-Sein dem Leben gegenüber gemeint, das vieles mehr, als lediglich einen Partner, mit einschließt. Gott Eros mit eingeschlossen.
Zu Beginn war ich peinlich berührt und auch irritiert, dass es so etwas überhaupt gibt, und dass ich da, in der Übertragung, mit eingewoben wurde; Scham und Schuldgefühle, Grenzen überschritten zu haben, und dadurch dem Anderem nicht gut zu tun, ihm gar zu schaden, überkamen mich. Ich begriff jedoch prozesshaft, dass es das Gefühl des Anderen ist, und dass jedes Gefühl erst einmal seine Gültigkeit besitzt. Zudem, dass das Gefühl des In-Liebe-Seins per se ein hebendes Gefühl ist, das uns hilft, mit schwierigen Lebenssituationen leichter umgehen zu können. Da ich auch schnell für Lebendiges brennen kann und es kultiviere, kenne ich dieses Gefühl ziemlich gut; ich möchte es fast und mittlerweile jedem empfehlen, so oft als irgend möglich, es in sich wach zu küssen und es zu er-/leben. Vielleicht gar eine Lebenshaltung daraus zu machen.

Hingabe an den wundersamen Moment: Von der Quelle noch einmal kosten
Der Patient, von dem ich berichten möchte, war ein älterer Herr, der eine lange und dramatische Krankheits- und Krankenhausgeschichte durchleben musste. Zudem schien er langsam aber sicher abzubauen und sich auf den letzten Weg zu machen. Er war kaum zu beruhigen, fiel oft in Unruhezuständen aus dem Bett, und wenn er anzusprechen war, wirkte er dementiell reduziert; jeden Tag ein Stückchen weiter weg. Ich kannte ihn, erkundigte mich oft bei Kollegen nach seinem Befinden; aber mein Dienst am Bett wäre kontraproduktiv gewesen. Doch eines Tages kam er wieder zu sich. Die Physiotherapeutin, mit der ich gerne die Mobilitätsbegleitung gestalte, erzählte mir vom besseren Befinden des Patienten. Er wollte mit uns rausfahren, mit dem Rollstuhl, und wir fuhren zusammen raus. Wir aßen Eis, saßen heiter in der Sonne und genossen die Zeit zusammen. Ich teilte ihm immer mit, wann ich wieder dabei sein würde, da ich lediglich zwei Tage die Woche in der Klinik bin. Einmal kam ich zum Wochenbeginn zu ihm und er wirkte sehr traurig. Er teilte mir mit, dass er die ganze Zeit auf mich gewartet hätte, und ich nicht kam. Ein rührender Moment. Meine Erklärungsversuche, wann ich vor Ort bin, halfen da nicht viel. Dann kam auch relativ zügig der Abschied ins Hospiz; der Abschied rührte uns beide sehr. Ein paar Wochen später bekam ich einen Anruf von seiner Frau, dass er friedvoll im Hospiz verstorben sei, und auch immer wieder gerne von der netten jungen Frau sprach, die sein Herz noch einmal auf so leichtfüßige Weise, angerührt hatte.


Trudes Hände - Handstudie

Die eigene Quelle wiederfinden – sich in ihr spiegeln
Mit einer anderen Patientin verbrachte ich, über mehrere Aufenthalte, immer wieder kreative Zeit miteinander. Sie nannte mich ihre „Seelenschwester“ und sie dutzte mich. Sie war Richterin beim Jugendgericht gewesen. Wir hörten Musik wie Enya und Loreena McKennit, als Setting im Stationsflur, und gestalteten unterschiedlichste Collagen in Serie; überhaupt entdeckte sie das Collagieren für sich; und auch das Zeichnen aus Jugendzeiten und das Schreiben von Gedichten (mitsamt Rezeption ihrer Gedichte) gab ihr wieder viel. Sie freute sich über meine Meinung zu ihren Werken und wollte bewusst Spiegelung für diesen kreativen Anteil. Einmal wurde ich angerufen, dass ich in die Ambulanz kommen möge, die Patientin würde sich sehr über meine Anwesenheit freuen. Und so war es auch; sie war so müde und erschöpft, konnte kaum die Augen aufhalten, bekam Chemotherapie und wollte unbedingt, dass ich bei ihr bin und wir zusammen ein Bild malen. Dort nahm sie einmal meine Hand und strich sanft darüber; ein seltsam-zärtlicher, aber auch irritierender Moment, wie aus der Zeit gefallen. Immer mal wieder bekam ich Mails von ihr, die ihr Mann liebevoll für sie tippte, und ihre neuesten Werke einscannte. Ich antwortete immer darauf und bestärkte sie in ihrem Tun. In einer letzten Mail von ihrem Mann bedankte er sich herzlich bei mir für die schönen Momente, die seine Frau und ich miteinander verbringen konnten.

Eine echte Regentrude: Ehrlich, charmant und anmutig
Einmal wurde mir auch die Ehre zuteil, eine Granddame der Ostmodebranche kennenlernen zu dürfen. Sie hatte ihren äußeren Glanz durch Krankheit eingebüßt, doch ihr Feuer loderte noch, und daran ließ sie alle die teilhaben, die sich darauf einlassen konnten. Sie zeigte keinerlei Allüren, war mittlerweile völlig uneitel geworden. Ich konnte, hatte Zeit und ich liebte es: Sie malte mit Kugelschreiber auf Papier (gestützt auf Klemmbrett) tanzend-wirbelnde Engelinnen. Sie selbst konnte sie nicht mehr wirklich sehen, nur schemenhaft, ihr Augenlicht schwand immer mehr. Aber sie fühlte den Schwung und konnte noch gut erahnen, wie sie den Strich durch Schwung führte. Wie gerne hätte ich eine ihrer Engelinnen bekommen, doch die brauchte sie ja, um damit die jeweils Schönste für einen wählen zu lassen. Ich wählte eine Engelin, mit einer weiteren Figur dahinter, und ließ mich auf die Bildbetrachtung mit ihr ein; sie fragte mich, was mir ehrlich daran gefalle, und schnell waren wir in einem Gespräch über gefährliche Frauen und Mütter. Ein stark verbindender Moment, weil sie auch Authentizität einforderte und schätzte. Sie schenkte mir zum Dank und Abschied einen großen Katalog mit inspirierenden Menschen der DDR (Berlin). Diese wirklich schöne, weil geistig so freie Frau, eine echte Frau Trude, voller Liebe und Anmut, werde ich nicht mehr vergessen.


Diese fünf Begegnungen mit Menschen zeigen, was eine wieder oder noch einmal entdeckte Lebendigkeit durch ein In-Liebe-Sein/ Verliebtsein ins Leben, ausgedrückt durch das Sinnbild der Regentrude, mit Menschen machen kann. Die Freundschaft mit Frau Trude, sie regelmäßig zu besuchen, muss man pflegen und ist von ihr ausdrücklich gewünscht. Im übertragenen Sinne ist es die Wertschätzung der Natur in ihrer Göttlichkeit. Zudem auch der göttliche Funke in uns, gelebt und ausgedrückt durch die eigene Schöpferkraft. Beides will ins Leben integriert sein.


Fazit
Diese Menschen leben und erleben ein anderes Raum-Zeitgefühl, wie aus einer Welt der Phantasie und des Märchens, dem Alltag mit seinen Sorgen für Momente entrückt. Sie wirken punktuell jugendlich und geistig beweglicher (so als wäre wieder nahezu alles märchenhaft, durch Phantasieren und Wünsche möglich). Die Prioritäten verschieben sich, sie entdecken alte Fähigkeiten und Freuden aus ihrer Jugendzeit wie Märchen (Sagen, Vorbilder etc.), Schreiben und meditatives Werken wieder. Sie sehen für gute Momente über ihre schwierige Lebenssituation hinweg, weil sich die Aufmerksamkeit auf etwas Anderes als Alltag verlagert hat; nicht nur geistig sondern auch emotional schwingen sie reicher und differenzierter; ihrer Phantasie werden wieder Flügel verliehen; sie erinnern sich an ihre ureigenste Kreativität und an ihr Feld der Möglichkeiten und Symbole. Sie erschaffen sich dadurch emotional reiche Momente und lassen andere Menschen daran teilhaben, womit sich ein Wohlgefühl in Verbundenheit verstärken kann. In diesem besonderen Gefühl des Verliebtseins oder In-Liebe-Seins kann auch Neuartiges, Fremdes erkundet und auch erforscht werden: Die Angst ist reduziert, wenn nicht gar durch den sonderbaren Rausch der Glücks-Hormone überdeckt, oder gar ganz weg. 


***

Freitag, 19. Oktober 2018

Neid als Geschenk | Über ein Tabugefühl


Neid als Geschenk 
Über ein Tabugefühl 

Entwicklungsstand: 21.10.2018
To be continued 




Schon länger lasse ich die Wahrheit an mich heran, dass es viele negative Affekte um mich herum und auch in mir gibt. Es hat im Moment sogar den Anschein, dass es derer mehr gibt. So als lägen diese Affekte direkt unter der Oberfläche. Besonders schön kann man das im Autoverkehr erleben, wie schnell es hier zu echten und v.a. unsachlichen Konfliktsituationen kommen kann. Dennoch will ich mich damit nicht abfinden: Welt kann auch anders sein! Und da ich das will und mir von Herzen wünsche, versuche ich auch Anderes. Es wird nicht immer schlimmer (Welt am Abgrund), sondern immer besser; zumindest in mir. Es beginnt bei mir und endet auch bei mir – und wenn ich mich ändere, wird sich auch Welt um mich herum ändern, zumindest in mir. Es geht hier um eine Haltung, womit ich mich verbinde, und was mir wichtig ist.  

Den Stein des Anstoßes, über Neid (als biologische Programmierung nach Virani/Dittmar und meint: Ursprung in Tiernatur; Aufgabe: Überleben zu sichern) tiefergehend zu forschen, gaben mir Gespräche mit einer Freundin, die einen sehr schönen und bunten Laden in einem Hipsterbezirk betreibt. Sie selbst ist sehr individuell und wunderschön, in ihrem Äußeren, auch und gerade als Mensch. Sie schilderte mir, dass sie auch zu neuen Ufern (einer neuen Haltung, neue Muster etc.) unterwegs ist: aber was ihr derzeit begegnet, ist nochmal geballt, das alte Muster vom Neid der Frauen (und wie sie es bedient). Es ist interessant,wie sie diese Phänomene schildert. Viele Damen kommen und wollen ganz ihre Aufmerksamkeit und Bestätigung, dass Farben und Formen richtig an ihnen sind. Manche haken ziemlich penetrant nach, dass sie auch ganz bestimmt von ihr gesehen und wahrgenommen werden. Nicht ihre Mitarbeiterinnen, nur sie, ist die richtige, um die jeweilige ganz besondere Kundin zu bedienen. Es geht um Besonderssein, und als solches ganz besonders gesehen und behandelt zu werden.
Meine Freundin hat dieses Muster auch seit jeher „bedient“; sie kann Anderen das Gefühl geben, besonders zu sein. Leider hat sie auf ihrer Seite bisher zu wenig berücksichtigt, dass auch sie sich selbst so liebe- und respektvoll behandeln darf. Sie ist sich selbst der härteste Chef, erzählt sie mir. Sie behandelt sich ziemlich rücksichtslos und geht über ihre Grenzen. Doch sie weiß es, versucht es zu begreifen und langsam, auch emotional, zu verändern. Sie „zieht“ solche Menschen und derartige Situationen noch an, ist aber dabei, immer mehr für sich einzustehen. 



In einem ärztlichen Wartezimmer greife ich zu einem Hochglanzmagazin. Ich blättere, und was mir da entgegenschlägt, dreht sich um geschürte Konkurrenz, Neid und andere frauenfeindliche Attitüden. Ich bin entsetzt. Ich merke da wieder, dass ich vom Mainstream keine Ahnung habe. Ich bewege mich in meiner individualistischen Psychoökonische, ohne Fernsehprogramme und Frauenzeitschriften. Und freue mich darüber, nicht dazuzugehören. Nicht dazu. Ich gehöre zu etwas Anderem, etwas irgendwie ganz Eigenem. Ich gehöre zu mir. Und zu Menschen, die mich lieben und sich an mir freuen können.

Bei Irvin D. Yalom, in seinem Buch Existentielle Psychotherapie, ist es mir schon mal begegnet: Bei Sterbenden und ihrem Lebensneid, Weiterlebenden gegenüber. Lebensneid. Weil ihnen bewusst wird, was sie alles an Lebenspotential nicht entfaltet haben, was sie sich selbst schuldig geblieben sind; aber anstatt es nochmal im Kleinen anzugehen, verschiebt man das schlechte Gefühl als Schuldigen am eigenen Schicksal lieber auf den Anderen. Man selbst stilisiert sich zum Märtyrer, Opfer gar Diva/Divus. Und wir bedienen ganz liebevoll dieses Muster. Es ist anerkannt.

Lebensneid.
Was ist hier eigentlich los? Meine These ist die, dass die meisten Frauen (auch Männer) nicht wirklich wissen, wer sie in ihrem tiefsten Inneren sind, und was sie wirklich für essentielle Bedürfnisse haben. Sie haben sich ein schickes Leben wie aus einem Hochglanzmagazin kreiert, und versuchen diesem Ideal zu entsprechen. Schuld daran sind unhinterfragte innere Vorstellungen von sich in der Welt. Und zumeist fehlender Leidensdruck. Nur bei Leidensdruck macht man sich auf den Weg. Ohne, läßt man es so, und denkt, es ist die Wahrheit.  

Ich bin davon auch nicht frei.  
Weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Ich kenne Neid und auch Eifersucht. Wenn ich‘s entdecke, bin ich zutiefst beschämt. Ich will dann etwas haben, was der Andere hat, und zwar ohne daran arbeiten zu müssen, heißt, gleich und jetzt. Ist ein bisschen wie magisches Denken unserer Kinderzeit. Und Scham mag ich auch nicht besonders. Dennoch haftet am Neid etwas Sündhaftes und das scheint kollektiv in uns verankert zu sein. Und daher darf das nicht sein. Ein Tabu also. 
 Doch manchmal verleitet mich der Neid, entstanden durch Vergleich mit einem Anderen, auch dazu, über mich hinaus zu wachsen (stimulierender Neid). Ich finde heraus, was ich haben will, und dann ab durch die Angst. Nun, wenn das immer so einfach wäre.   

Ich weiß auch, wie es sich anfühlt, Neidobjekt zu sein. Ein schlimmes, weil bedrohliches Gefühl. Und bei mir hat das leider und immer noch existentiellen Charakter. Wenn ich entdecke, dass man mir Neid entgegenbringt, kann mich das immer noch ziemlich ängstigen und aus den Schuhen hauen (Krank-Werden wegen Kränkung), und sehr einsam werden lassen. Früher habe ich mit Dissoziation darauf reagiert; ich habe versucht, mich unsichtbar sein zu lassen. Doch heute ist das alles keine Lösung mehr. Weder Dissoziation noch Derealisation. Ich bin erwachsen und nicht mehr vier Jahre alt. Zumindest punktuell. Und ich habe zahlreiche Anteile in mir entdecken dürfen, die mir helfen, damit umzugehen. Es müssen nur die richtigen Anteile ins Feld, nicht die Inneren Kinder-Anteile. Und manchmal hole ich mir Profis, die mir helfen, meine blinden Flecke anzusehen, und um die erwachsenen Anteile in mir wachsen zu lassen. 



Was will mir der entgegengebrachte Neid eigentlich über mich sagen? 
Das ist doch mal untersuchungswürdig. Also: Jemand kann mir nicht bei meinen Erzählungen zuhören, kann nicht folgen (oder meidet mich ganz und gar), oder muss zu sich "springen" (und sich selbst dramatisch inszenieren, wie besonders es ist – ich und mein Anteil wird ignoriert oder weg-negiert, je nach Schweregrad). Dann bin ich wieder lang und breit beim Drama und so-Besonderen des Anderen beteiligt. Beim Ewiggleichen, das mir vormacht, es würde sich entwickeln. Doch es kultiviert sich selbst, und will sich durch Spiegelung ewig selbst bestätigen. Nun, das ist menschlich und auch die Norm, und auch im Rahmen der Neurobiologie finde ich solche Selbst-Spiegelneurone, die eigentlich immer nur so bleiben wollen, wie sie sind, weil sie es ja nicht anders kennen. Und Neuland und damit neue neuronale Verschaltungen sind fremd, nicht erkundet und machen Angst. Das Fremde eben. Ich verstehe das. Ich habe auch Angst. Doch auf das Immer-gleiche habe ich schon lange keine Lust mehr. Es ist eben immer-gleich und damit alt-erprobt und auch ziemlich langweilig. So wie mir Modetrends langweilig sind, egal wie gut vermarktet. Das wohl Traurigste an der Sache ist, dass es so wenig Gefühl für den Selbstwert und auch wenig bis keine Selbstliebe gibt. Ich begreife, wie wenig wir mit uns zu tun haben wollen, und wie wichtig Ablenkung von uns ist. Denn eigentlich hassen wir uns, so wie wir sind (oder denken zu sein).

Da wir so früh von zumeist bedürftigen Müttern (und auch Vätern) zu Objekten gemacht worden sind, haben wir, nach Alice Miller (Das Drama des begabten Kindes u.a.), eine Schein-Entwicklung hingelegt, und sind zu einem scheinhaften Als-ob-Selbst geworden. Mir ist das durch meine Erfahrungen mit meiner Depression schon vor zwanzig Jahren aufgefallen, und seit da versuche ich mich zum Subjekt zu machen. Das hieß damals, eigentlich das Rad für mich selbst neu erfinden, oder besser: nach dem Menschen forschen, der ich wirklich in meinem tiefsten Inneren und auch in meinem Äußeren bin. Entweder kläglich eingehen, sich eingehen-lassen, oder das Leben anpacken und auf die Reise gehen – das eigene Abenteuer des Lebens leben. Das Leben als Weg und Entwicklung sehen.  

Ja, der entgegengebrachte Neid sagt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Und auch, dass ich selbst stets da bin (Betonung liegt auf da), auch wenn scheinbar wenige Mitstreiter da sind (obwohl es immer mehr werden). Ich bin ich, und das will weiter erkundet werden. Jeder Andere spiegelt mir meinen Entwicklungsstand und ist mir Spiegel – für schönes Gewordenes und auch weiterhin zu Entwickelndes. Der Andere zeigt mir das, was ich mag, und auch nicht mag, ist aber lediglich ein Stellvertreter. Ich sollte eher diesem Stellvertreter dankbar sein für seinen Liebesdienst, mich auf die Spur zu mir selbst zu bringen. Tendenziell kennen wir den Anderen in seinem besonderen Sein gar nicht, zumeist, weil er es selber nicht weiß. 

Ich wünsche uns Allen mehr Freude, Neugierde und Mut beim Erkunden des Eigenen, der vielen unterschiedlichen Anteile in uns selbst. Und dann und immer mehr beim Erkunden des Anderen und seinen Eigenarten im Miteinander. Weil der Andere anders, und genau das so wundervoll ist. Und wir dieses Wunder in Jedem entdecken können. In wirklich Jedem. Auch wenn es sich erstmal seltsam anfühlen mag, wartet doch stets ein Riesengeschenk auf uns. 

Das Geschenk der Liebe zu uns und zum Anderen

Und dann wachsen wir wirklich über uns hinaus, und zwar gemeinsam!

GG 
auf dem Weg 
zur Liebe 







Zum Weiterlesen - Gefühle

* Virani, Amana (Vivian Dittmar): Gefühle - eine Gebrauchsanweisung, München 2007
* Baer, Udo/ Frick-Baer, Gabriele: Das große Buch der Gefühle, Weinheim 2014 
* Baer, Udo/ Frick-Baer, Gabriele: Das ABC der Gefühle , Weinheim 2012 

Bilder/ Collagen: Die Welt der Lumi Divine  


Sonntag, 30. September 2018

TeamCare in der Palliativmedizin | Ein Ausstellungsevent von und für die Mitarbeiter einer Lungenklinik


TeamCare in der Palliativmedizin
Ein Ausstellungsevent von und für die Mitarbeiter einer Lungenklinik 

 "Prost!" mit Gurke Holunder | Heiteres Miteinander bei der Vernissage

Die „hässliche Ecke“ vor dem Palliativbereich war es, die uns, die Oberärztin der Palliativmedizin und mich, auf den Plan rief, gemeinsam die Ecke neu zu überdenken. Ich zeigte ihr ein paar Vorschläge von Wandgestaltungen in Hospizen und Palliativstationen; dort gab es für die Gäste eine Bilderwand mit u.a. Bildern von Schauspielern der 60er Jahre. Es zeigte sich, dass an der Wand Bilder hängen sollten, die uns gefallen, und die wir durch das Freie Assoziieren finden. Die Idee einer Assoziationswand, mit Team-Fokus, war geboren. Und weiter: warum nicht gemeinsam eine Ausstellung gestalten, in der sich alle an der Palliativmedizin Beteiligten, wie Pflege- und Servicekräfte, Therapeuten und Patientenbegleiter, Sozialdienst und Ärzte, mit einbringen und miteinander Vernissage feiern.
Die „Eventtherapie“, eine Form des Feierns des besonderen Augenblickes für Patienten, unter Mitwirkung mehrerer Mitglieder des Palliativteams, gibt es in der Lungenklinik schon länger. Für Patienten legt man sich ins Zeug, entwickelt zündende Ideen.

Aber was tut man für sich selbst?
Wie oft schon habe ich resümierend den Satz gehört: „Ich war immer nur für die Anderen da.“ Das Gros findet sich damit ab. Es gibt jedoch auch Andere, die in Klinikaufenthalten und Psychotherapien gelernt haben, sich selbst wichtiger zu nehmen. Ein Ansatz, der den Prozess der Wertschätzung des Eigenen und das Lebendigsein im Leben betont.

Wenn meine Seele grau ist – nichts macht mehr Sinn“ (Ich und Ich)
Gerade bei Menschen in sozialen Berufen, potenziert im palliativen Bereich wegen seiner Intensität, zeigt sich oftmals ein BurnOut, ein Ausgebranntsein. Die innere Leere, wenn wir mehr geben und nicht wirklich nehmen; z.B. Zeit und Raum nehmen für uns selbst: Unsere Ressourcen. Wir wissen auch selten, was uns beruhigen kann. Wir funktionieren in einem Regelwerk, familiär übernommen, und nicht hinterfragt. Was wir lieben, wofür wir leben, gar brennen, was uns und unsere Lebensenergie als einzigartiges Individuum ausmacht, wissen wir oft nicht. Wir leben stattdessen ein Leben im Hamsterrad und fallen auf unsere neuronal-feuernden Gedanken von steter Geschäftigkeit rein. Auf der Strecke bleibt dann die Leichtigkeit und v.a. die Lebensfreude. Gerade sie ist es, die wir im palliativen Bereich so dringend als Ressource brauchen.

Das Grundrecht auf Glück
Wir haben ein Grundrecht, glücklich zu sein. Das buddhistische Königreich Bhutan mit seinem Ansatz des „Bruttonationalglücks“ lebt es uns vor. Wir sind angehalten, uns Raum für uns zu nehmen. Was können wir tun, um uns glücklicher sein zu lassen? Eine mögliche Antwort könnte lauten: Kurze Auszeiten im Alltag. Erlebtes bewusst verarbeiten. Atmen, Sein. Sein-Lassen. Und die Sinne ansprechen: Bewusst wahrnehmen und unseren eigenen Sinn aufspüren. Unseren „Inneren Kompass“ (persönliche Werte und Würde) kennenlernen. Das kann ich für mich selbst, durch Training, tun. Was für das eigene Glück genauso wichtig ist: sich verbunden zu fühlen. Der Neurobiologe Gerald Hüther, der sich u.a. mit Themen wie Verbundenheit, Würde und auch Liebe (bedingungslos) auseinandersetzt, plädiert mit interdisziplinär arbeitenden Wissenschafts-Kollegen, für eine neue Kultur/ Haltung der liebevollen Verbundenheit. Sie kann uns alle „anstecken“ durch Ermunterung, Inspiration und Einladung, uns vom „Konsumenten zum Potentialentfalter“ zu wandeln.

Eine Oase im Klinikalltag
Das TeamCare-Event „Assoziationswand“ ist so eine Möglichkeit für einen Zwischenraum. In dieser Oase wird einmal durchgeatmet, man kommt zum gemeinsamen Feiern einer sinn(en)reichen Ausstellung zusammen. Vier solcher Events gab es bereits. Die Themen wurden von Mitarbeitern vorgeschlagen. Die erste Ausstellung trug den Titel „Erinner‘ mich an Liebe!“. Die zweite hieß „Ich und Du“; „WUNDER“ und „Träume!“ folgten.
Es zeigte sich, dass es günstig ist, dass jemand die Planung innehat, und punktuell die Kollegen zu allem Anstehenden einlädt. Zu Beginn wird im Team ein Thema gefunden. Die Vorbereitungszeit dauert ca. zwei Monate. Etwas später folgt die erste Einladungs-Email an die Kollegen. Beschrieben wird in dieser Mail kurz das Prozedere: wie man sich an der Ausstellung mit Bildern beteiligen kann; bis wann die Bilder zur Sammelstelle kommen sollen, wann und wo gehängt und gefeiert wird.
Wenn zweieinhalb bis drei Wochen vorher der Termin naht, schreibe ich erneut einen einladenden Reminder. Und ich „streue“ die Einladung immer da, wo ich gerade bin; lade alle Mitarbeiter ein (über den Palliativbereich hinaus), die offen dafür sind. Vieles läuft über ein positives Gefühl. Freude steckt an. Im Vorfeld wurden auch Galerieschienen mit Strippen und Haken angebracht; Bilderrahmen habe ich besorgt. 

 GG beim Aufbau der Ausstellung "Träume!"
 
Der Ausstellungsaufbau – ein „Event“ für sich
Der Aufbau ist umfangreich. Manche Kollegen bringen ihre Werke in den Sammelraum; zumeist hole ich die Werke direkt ab, bzw. habe per Mailing Digitalbilder zugeschickt bekommen. Manchmal sind Texte darunter, die ich noch in eine Bildform bringe. Mit meinem Seelsorger-Kollegen sind wir mittlerweile ein gutes Team: Wir orten die Bilder, passen sie in die Rahmen ein – sehen sie uns in der Übersicht an – ordnen – und fangen an zu hängen: Die Bezüge und Themenfelder ergeben sich bei der Hängung. Ein intensives Geschehen. Kollegen und Patienten kommen vorbei. Sofort entstehen Gespräche über die Bilder. Wenn eine stimmige Hängung gefunden wurde, ist es wie ein Heureka! Dann noch das Finish: Auf einer Staffelei steht die Vernissage-Ankündigung. An der Wand bringe ich eine Ausstellungs-Info an. 

Buffet-Varianten | Zu "WUNDER" und "Träume!" 
 
Genuss pur
Das Buffet ist das Highlight der Vernissage. Es wird nahe der Bilderwand aufgebaut. In Absprache mit den Kollegen gibt es neben Süßem auch Herzhaftes. Manchmal Besonderes wie russisch-ukrainische Pfannkuchen mit Kaviar, Lachs und Frischkäse, Früchten und Gemüse. Mir persönlich ist die Ästhetik des Events wichtig, sodass ich eine stimmige Dekoration organisiere. Eine Kollegin konnte ich für das Experiment Bowle Gurke-Holunder gewinnen, wovon wir noch heute schwärmen. Ein Kollege brachte passend zum Thema „Träume!“ eine herrliche „Traumschaumcreme“ mit. Und ein anderer Kollege kreierte zum Thema „WUNDER“ einen fröhlichen „Wunderkuchen“, mit Glasur und bunten Streuseln. 

 
GG spricht einführende Worte zur Ausstellung "Träume!"

Sinnen, Singen und Schmausen – Die Vernissage
Wir sammeln uns zur Ausstellung an der Bilderecke auf Station. Einführend spreche zumeist ich ein paar Worte, weise auf entstandene Themenfelder und mögliche Blickrichtungen hin. Manchmal rezitiere ich dazu einen Text. Ich inszeniere mein Äußeres passend zum Thema. Gelegentlich kann ich Kollegen für einführende Worte gewinnen. Da sich zum Thema zumeist auch Lieder-Texte gesellen, singen wir gemeinsam, begleitet u.a. von unserem Seelsorger und seiner Gitarre, oder lassen einen Interpreten singen. Hier erklangen bereits u.a. Lieder wie „I have a dream“ von ABBA (zu „WUNDER“) und „Imagine“ von John Lennon (zu „Träume!“). Dann schwenken wir hinüber zum Buffet. Da es gemeinschaftlich gestaltet wurde, hebe ich gerne die Urheber hervor, und betone die kreative Schöpfung. Abrundende Musik läuft dann im Hintergrund. Glückkeksbotschaften ergeben eine weitere Collage. Nach ca. einer bis max. eineinhalb Stunden beenden wir die Feier. Hier helfen alle zusammen; feine „Buffet-Reste“ gehen an die Stationsteams. Die Ausstellung bleibt bis zur nächsten Feier hängen. 

"Glaube, dass es machbar ist" | Team-Ritual mit Glückskeksbotschaften 
 
Die Ausstellung als Einladung zum Gespräch
Sie dient als Inspiration für alle Menschen, die an ihr vorbeigehen. Sie wird oftmals von mir und auch meinen Kollegen als Ort zum Innehalten und zur Aufmerksamkeitsverlagerung genutzt.

Dokumentation im Bild
Ich halte das Event im Bild fest. Meine Kamera geht herum. Die Idee ist, spontan Schnappschüsse zu schießen. Diese sind sehr aussagekräftig; sie zeigen Menschen in Freude, beim Lachen und Schäkern in gutem Miteinander. Ich wähle dann Bilder aus, gestalte eine Collage als PDF, die ich als Dankeschön-Mail verschicke. Zudem mache ich Werbung auf den Stationen mit ausgedruckten Collagen in Farbe und berichte, wie fein es war.

Freude potenziert sich
Ich lade gerne ein, daher wissen die Kollegen in den Pflegeteams um dieses Event, können aber nicht immer mit dabei sein. Da sich aber die Idee als TeamCare-Event herumgesprochen hat, bin ich jüngst von einer anderen Station angesprochen worden, ein Event dort mitzuorganisieren. Hier stehe ich eher mit gutem Rat zur Seite, da sie im Team selbstorganisiert an die Sache herangehen. Einen gemeinsamen Termin haben wir schon; bis dahin müssen noch die Bedingungen für eine Ausstellungswand (Galerieschiene, Bilderrahmen) organisiert werden. An einem Thema „feilen“ sie bereits, und ich sehe ihr Leuchten in den Augen, wenn sie von ihren Überlegungen sprechen.

Begeisterung ist übergesprungen, und ich bekomme immer mehr Freude zurück; was mich wiederum motiviert, an der öffnenden Idee des Wir!, und der besonderen Verbundenheit, weiterzuarbeiten.

Ausstellungshängung | "WUNDER"