Mittwoch, 19. Juni 2013

Event & Performance | Onkologisches Symposium


Im Auditorium eines Klinikums | Land Brandenburg

KUNST training | coaching | therapie SPIEL 


*Programmpunkt
Kunst-therapeutische Performance | "Fang' da an, wo Du bist!" - Kunst-Welten!

siehe dazu auch: PatientInnentag des Brustzentrums 

Mit: GS (Psychologin/ Psychoonkologin) & GG (Kunsttherapeutin/ Klangkünstlerin)
& Bühnenassistentin- Partizipation/ Kameraführung AS (Körpertherapeutin/ Photographin)
Klangteppich: Leo Auri (Musiker, Komponist, Sounddesigner)  http://leoauri.com/
*Passend dazu - zum Nachhören & Herunterladen - mondblume-Album "Anspannung | Entspannung" http://mondblume.bandcamp.com/album/anspannung-entspannung

Auf der Höhe des Gelächters wird das Universum in ein Kaleidoskop
neuer Möglichkeiten geworfen.“
Jean Houston

Bild | "Irrungen & Wirrungen"
  1. summary
Ausgangsfrage war - Wie kann eine künstlerisch-therapeutische Einlage aussehen, in der man die TeilnehmerInnen (TN) eines medizinischen Symposiums - am Ende der Veranstaltung - noch einmal zum kreativen Mitgehen animieren will (während sie den Vormittag über sitzend den Vorträgen lauschten)?

Unsere Antwort: Mittels Sinnesaktivierung durch live-painting, verführerischem Klangteppich und der Rezitation eines blau-schwebenden Gedichtes – ebenso eines teilhabenden Momentes für die TeilnehmerInnen, ihre Gedanken/ Wahrnehmungen während des künstlerischen Prozesses auf Papier festzuhalten - um am Ende miteinander einen Titel für das entstandene Bild zu finden (Partizipation). 

  1. Zutaten
Hierbei waren und sind die besonderen Zutaten ganz wesentlich:
Man nehme...

Ensemble
  • eine motivierte Kollegin (GS), die sich hat anstiften lassen, bei künstlerischen Experimenten im beruflichen Rahmen aktiv mitzuwirken
  • Inspirierte Auftraggeber, die ihrem Klientel mal etwas „Frischen Wind“ bieten wollen
  • Mutige TeilnehmerInnen, die sich ebenso anstiften lassen, ihre Sinne zu aktivieren

    Bühne
  • eine möglichst viele Sinne ansprechende Idee mit Bühnencharakter - jedoch eher im Sinne einer freieren und spontan entstehenden art – Performance 
     
    Wahrnehmung der fünf Sinne + Aktiv-Moment
    visuell/ sehen: live-painting (GS), Bühnensetting, lebhaft-aktivierende Moderation
    auditiv/ hören: eigens gewebter Klangteppich (LA) & Gedicht-Rezitation (GG), Mal-Geräusche
    kinestätisch/ fühlen-spüren: die sinnliche Atmosphäre, die Mitschrift, das Mitwirken
    gustatorisch/ schmecken: Geschmacksassoziationen, die durch das Setting durch die Erinnerungen angeregt werden
    olfaktorisch/ riechen: der besondere Geruch, der beim live-painting (Acryl-Farben/ Sprühfarbe etc.) entsteht, inneres Riechen (aufgrund von z.B. Erinnerung an Urlaub, Kindheit...)
    partizipativ/ aktiv werden & teilhabend: Anregung der TN, ihre Gedanken wahrzunehmen und aufzuschreiben
 
  1. Der besondere Prozess
Exposition oder zur Vorgeschichte dieser art-Performance
Ein engagierter Oberarzt sucht für die Eröffnungsveranstaltung des Neubaus der vergrößerten Hämatologie/ Onkologie & Palliativstation ein geeignetes Bühnenprogramm. Offenheit und Mut werden gezeigt – man läßt sich gerne auch auf Neues und Ungewöhnliches ein. Eine gute Ausgangslage. Die Vorarbeit mit dem engagierten Kollegenteam im Klinikum geschieht reibungslos.

Inszenierung/ Requisit & Dokumentation 
Schnell muss alles auf der Bühne aufgebaut werden. Dann huschen wir (meine Kollegin & ich) auf die Bühne, nachdem wir vorher vor dem Publikum angekündigt wurden. Motivierte AssistentInnen lassen ein Blitzlichtgewitter von Kameras aufleuchten, eine Videokamera hält die Szenerie fest – los geht’s...

Prolog
GS leitete nun unsere art-Performance geschickt und charmant ein, und verwies auf unsere Vorgängerveranstaltung für die Patientinnen des Brustzentrums (siehe Link/ oben), mit dem Vermerk, bei uns gehe es nun darum, dass der Mensch/ Patient/ Mitarbeiter auch und gerade mal etwas für sich tun könne/ dürfe. Ich übernahm, und griff' GSs Wort Anstiften auf, um das teilnehmende Moment anzukündigen. Die TN sind herzlich gern aufgerufen, sich aktiv durch eigenes Assoziieren und Aufschreiben am künstlerischen Prozess zu beteiligen. Alles, was in den Sinn kommt, ist gut und sollte nicht zensiert werden. Worte für innere Prozesse kommen durch Übung immer leichter von den Lippen auf's Papier.  

Fürchte nicht das Chaos, denn im Chaos wird das Neue geboren.“
C.G. Jung 

 

Komödie oder/ und Drama ? - Für jede(n) wird es anders sein 
– das gilt es wahr-zu-nehmen, je nach persönlicher Vorerfahrung

Wir machten uns nun bereit – legten die Mikrophone weg, und fingen still und ritualisch an, unsere Kittel anzuziehen, Farben auf die Paletten aufzutragen und behutsam in unsere jeweiligen Positionen zu gehen. GS an der Leinwand, ich am Notenständer. Ich gab dem IT-Administrator ein Zeichen, dann startete der Aurische Klangteppich – langsam erfolgte der Titel des Gedichtes...GS reagierte auf die Klänge – erste Zeile und Pause – wieder Reaktion...(actio & reactio im Wechsel) sie wählte intuitiv Farben und Formen – so verlief es bis zum letzten Satz des GedichtesIch schwebe über lichte, ländergroße Blumenblätter.
Der Klang endete auf mein Zeichen hin abrupt (leider! Ich ging doch von mehr Feingefühl aus...), so dass wir alle schnell wieder „wach“ wurden – noch ein lieber Dank an GS und vice versa für Bild und Gedichtrezitation.

  1. Ergebnisse, Besonderheiten & Merkwürdiges
Deux ex machina oder auch Die Wendung zum Guten

Nun ging es daran, für das Bild einen geeigneten Titel zu finden. Ich versuchte, noch einmal die TN zu aktivieren – und tatsächlich kamen zahlreiche mutige Meldungen – das Mikrophon wurde herumgereicht, und unglaublich poetische Ideen und Assoziationen folgten. Spontan gewannen wir für die Titelfindung eine wunderbare Assistentin dazu: AS. Sie schrieb auf die kleine Tafel und repetierte vor Publikum, was sie vernahm.

Assoziationen und Gedanken der TN - Tafel-Mitschrift der Assistentin
mit demokratischer Abstimmung ...
  • Sag' mir, wo die Blumen sind? -Loslassen/ aber was hält mich?“ | 10x Stimmen
    Die TN erzählte, sie hätte viel geschrieben, doch die beiden Sätze in Folge bildeten ihre Quintessenz.
  • Klirrender Sternengarten“ | 9x Stimmen
  • Das Erwachen“ | 2x Stimmen
  • Wunderbares Ätherweben im sensiblen Chaos“ | 12x Stimmen
  • Irrungen & Wirrungen – das ist nichts für mich.“ | über 12x Stimmen – The Winner!
    Argument: Klang war so leise, meine Stimme kaum zu hören und das entstandene Bild schien viele Schleifen zu zeigen, die in diesem Moment für die TN nicht adäquat kodierbar waren.
Irrungen & Wirrungen“ bekam also die meisten Stimmen. 


Weitere Titel-Ideen - die mir im Nachhinein von TN zukommen ...
  • "Chravelle - Die Santa Maria von Columbus", "Die Blase"
  • "Fontäne im Sonnenuntergang" 
  • "frisches gefühlsrauschen"

Verkaufe deine Cleverness und kaufe Verwirrung
Jala Du-Din Rumi

Ich persönlich, so äußerte ich mich als Moderatorin, hätte Anderes (“Ätherweben“, auch „Erwachen“ oder "Klirrender Sternengarten" etc.) gewählt. Die TN äußerte dies (so vernahmen wir im Nachgespräch), dass sie den Klangteppich nicht laut genug hören konnte, ebenso dann das Spiel der Farben und Formen als beunruhigend erfuhr. Auf dieser Schiene gingen alle diejenigen gruppendynamisch mit, die ihre persönlichen Herausforderungen mit der Situation und dem Setting hatten; sei es aus Gründen des langen Sitzens und/ oder auch, weil einem die dargebrachte Szenerie an Eigenes erinnerte - bzw. weil man ein paar Minuten auf sich und die eigene innere Welt geworfen schien. Das ganze Setting wirkt auf unvorbereitete Menschen eventuell irritierend, und sie möchten sich aus solch' einer Situation herauswinden - ebenso auch, weil sie verunsichert sind, was genau und schnell anzufangen ist, mit solchen Weite erzeugenden Poesie-Welten; mitunter kann ein solches Setting als persönliche Bedrohung der eigenen klaren Struktur/ Norm-Ablauf empfunden werden.

Kunst-Welten
Die besondere Poesie-Welt, die in diesem künstlerischen Setting entsteht, gleicht einem in blau getränkten Schwebezustand im Leben, in dem man nur Halt empfindet, wenn man um ihn weiß und mit ihm einen Umgang gelernt hat (vgl. Gedicht von Hilde Domin „Nur eine Rose als Stütze“). Das Arp-Gedicht scheint einen von der Erde wegzutragen, hin zu den fernen und hellen Sternen, umgeben von unzähligen sphärischen Klängen. Der Aurische Klangteppich bewegt sich zwischen hellen Stimmen, einem märchenhaften Glockenspiel und zarten Klaviertönen; wiederholt sich in Endlosschleife – ohne auf dem tragenden Boden anzukommen. 
Die Farben, die wir speziell für unser Bild ausgesucht haben, bewegen sich in verschiedenen Blautönen (Ultramarin, Arktis etc.), einem Neonrot und einem Hautton (Sprühdose), einem Cremeweiß und einem klaren Gold – abgestimmt auf das Gedicht Arps.

Dennoch gab uns das Publikum noch genügend Raum, um unser Setting zu einem guten Ende zu bringen. Mit dem Dank des Chefarztes wurde die Veranstaltung dann beendet.
Ganz zum Schluss übergab GS der TN, von der der Titel stammte, ein Abklatschbild auf kleinerer Leinwand von unserem Bild „Irrungen & Wirrungen - etc.“. 

 
Nachwirkungen und Merkwürdiges

Um ein kreatives Leben zu führen, müssen wir unsere Angst verlieren, unrecht zu haben.“
Joseph Chilton Pearce

Nach der Performance kam ein TN (Hausarzt aus der Umgebung, wie ich später erfuhr) auf mich (GG) zu und ich dachte, er würde mir seine Ideen zur Szenerie mitsamt Erfahrungswelt mitteilen. So war und bin ich es zumindest schon gewohnt – was er mir benannte war, dass er sich Gedanken um die Form meiner Füße machte, und mir dringend ans Herz legte, mir abrollende Gesundheitsschuhe anzuschaffen. Ich fragte gezügelt und leicht keck, ob ich daran sterben könne, und er verneinte verlegen lächelnd. Während des Gesprächs kam er mir auffallend physisch näher (so auch der Eindruck meiner umstehenden KollegInnen), wie einst ein älterer Patient auf meiner Palliativstation, mit dem ich über einen längeren Zeitraum - Händchen haltend - über seine Vergangenheit und unsere gemeinsame Gegenwart im Jetzt redete. Ein tendenziell rührender Moment – mit nur einem seltsamen Thema – meinem rechten Fuß! Nun, jeder hat wohl seinen eigenen Ansatz, mit sinnenanregender Performance umzugehen...

  1. TeilnehmerStimmen & Assoziationswelten

Lerne zu sehen, und du wirst erkennen,
dass die neuen Welten deiner Vision grenzenlos sind.
Carlos Castaneda

Im Nachhinein bekam ich folgende Assoziationen zum entstandenen Bild von GS via Sms zugeschickt - ihre Tochter meinte: 
*Auf dem Bild sehe ich eine Fontäne im Sonnenuntergang.“ 
 
Wenig später erhielt ich folgende Sms, mit Worten zum Bild ihres Lebensgefährten:
* 1. Chravelle – z.B. die Santa Maria von Kolumbus. Eine neue Welt entdecken ohne zu wissen, wie die Konsequenzen sind. Neue Wege gehen... 2. Die Blase – aus dem Chaos, dem Nichts, kommt immer etwas Neues. Ob es gut ist, weiß man nicht. Die Blase ist hell, d.h. Es könnte positiv sein. Vielleicht ist es auch nur eine Illusion.GS schreibt weiter:  "...das sind die Interpretationen von P heute. Er meint, wenn er es morgen betrachten würde, gäbe es andere Assoziationen."

* Gerade fand' ich folgenden anonymen Kommentar vor: "Das Erlebnis dieser kreativen performance war ein außergewöhnliches, bewegendes und erstaunliches zugleich. Ich stellte mir im Verlauf vor wie ich mich von meinen Lieblingselementen [Horizont Himmelszelt Sonne Strand und vor allem Meer] inspirieren lasse, wie wohl ich mich in Verbindung hiermit fühle, die Sinne ausgerichtet auf Geräusche und Farben, die diese Assoziationen hervorgerufen haben. Ich habe mir nun einen Titel für meine Assoziation überlegt: *frisches gefühlsrauschen*
DANKE, liebe GG"

... 

Im wiederholten Anblick steigert sich ein Kunstwerk.“
Walter Benjamin

Kunst wirkt! In unserem Fall mit Bild & Gedicht & Klang wirkt es gar freiheitsstiftend und Möglichkeiten eröffnend etc. Sie weiß einen jeden Tag auf's Neue zu verzaubern, zu verblüffen, auch zu irritieren, weil sich unser Blick jeden Tag ein bisschen anders gestaltet - durch unseren jeweiligen Erfahrungshintergrund. Wenn wir es schaffen, uns jeden Tag immer wieder neu auf etwas (sei es Kunst, Natur; Mensch etc.) einzulassen, überhaupt uns ganzheitlich unserer Welt und Umgebung hinzugeben (spürend/ sinnlich), erfahren wir immer wieder Neues und Unerwartetes. Mit der Kunst kann man das gut üben! Ein schier unendliches und phantastisches Übungsfeld für Weltsichten, Möglichkeiten und Perspektivenwechse! 

Ich & auch Wir danken ALLEN TN & Beteiligten für ihren Mut und ihre Freude, sich auf neue Projekte einzulassen! 

HerzGruß von Gunilla Göttlicher (GG)

 
  1. Gedicht „Die Locken der Erde zerfallen“ | von Hans Arp
    gefunden im Gedichtband | Blau, die himmlische Farbe: Texte und Bilder (Insel Bücherei) von Gisela Linder

    siehe auch mondblume-Album "Anspannung | Entspannung"
     http://mondblume.bandcamp.com/album/anspannung-entspannung



  1. Impressionen 




















    Setting von Bild "Irrungen & Wirrungen - das ist nichts für mich"

Thanks web for fish-pic, special thanks for pics go to AS & LA & GS!

1 Kommentar:

  1. Das Erlebnis dieser kreativen performance war ein außergewöhnliches, bewegendes und erstaunliches zugleich. Ich stellte mir im Verlauf vor wie ich mich von meinen Lieblingselementen [Horizont Himmelszelt Sonne Strand und vor allem Meer] inspirieren lasse, wie wohl ich mich in Verbindung hiermit fühle, die Sinne ausgerichtet auf Geräusche und Farben, die diese Assoziationen hervorgerufen haben. Ich habe mir nun einen Titel für meine Assoziation überlegt: *frisches gefühlsrauschen*
    DANKE, liebe GG

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+++ Von Fischen +++ by Gunilla Göttlicher

Fische schwimmen im Wasser hin und her wenn ein Angelhaken kommt denken sie ersteinmal über dessen tieferen Sinn nach Erinnerung an Finnland, 2009