„Wie ein
Vogel im Käfig“
oder: wie
man es für den Moment schafft, sich frei wie ein Vogel zu fühlen
Performative
Kunsttherapie mit einer jungen Patientin der Inneren Medizin
Im Frühling 2015 begegnete ich zum ersten Mal einer erstaunlichen und
inspirierenden jungen Frau Mitte zwanzig – voller Ideen und Pläne,
Schauspielerin zu werden. In ihrer Heimat ist sie bereits eine
gefragte Darstellerin.
Mit
ihr durfte ich eine meiner rührendsten Zeiten als Kunsttherapeutin,
und einfach als Mensch erleben...ich habe mit ihr zusammen begriffen,
dass man sterile, emotional eher negativ besetzte Orte - eine
Krankenhausstation der Akut-Medizin, gar eine Intensiv-Wachstation
(Stillstand – Traurigkeit - Tragik), in lebendige und auch herrlich
komische Orte verwandeln, und Situationen miteinander kreieren kann,
wo Momente der Schönheit entstehen! Sie können einem im erlebten Moment und dann in der Erinnerung ein Lichtlein im
Dunkel des Lebens sein.
Das Bild oben entstammt dem Film Sleepy Hollow, und zeigt ein Spiel der Optik - einen fliegenden roten Vogel auf der einen, einen Käfig auf den anderen Seite - bei schnellem Drehen der beiden Seiten verschwimmen die Grenzen - der Vogel scheint frei zu fliegen und gleichzeitig im Käfig zu sein. Ein Sinnbild für unser menschliches Leben - voller Freiheit und Gefangen,- Gebunden,- und auch Verbundensein.
Ich
bat sie um ein Feedback für unsere gemeinsame Zeit im Krankenhaus
(KH).
Und
hier ist es - sie bestätigte mir auch, dass ich die Bilder, die in unseren "Photo Walks" entstanden sind, hier veröffentlichen dürfe. DANKE, meine Liebe!
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Meine
unvergessliche Zeit mit Gunilla Göttlicher
in einem Akut-Krankenhaus in Berlin
- von LE
Man sagt immer, dass es im Krankenhaus
schlimm, langweilig und traurig ist.
Das ist wohl wahr. Ich lag bald knapp 2
Monate in einem Berliner KH, und durchlitt sehr schwierige Zeiten.
Schlussendlich wurde ich Mitte Mai
endlich operiert.
Nach der OP plagten mich v.a. Übelkeit
und Erbrechen, wahrscheinlich von der Narkose. Ich lag etwa fast 2
Wochen auf der Chirurgischen Abteilung. Danach sollte ich eigentlich
zurück verlegt werden auf die Innere Station, doch ich landete auf
der Gynäkologie, eine völlig falsche Abteilung.
Mein Glück, stellte ich danach fest,
als die Schwester mich fragte, ob ich vielleicht auch gerne jemand
zum Reden hätte – da sagte ich nicht nein, weil ich das nach der
schweren Zeit doch sehr gut gebrauchen konnte.
Dann traf ich das erste Mal auf Gunilla
Göttlicher.
Mein erster Eindruck von Ihr war: „Wow,
was ist das denn für eine verrückte, lustige und aufgestellte Frau,
mit einem sehr speziellen Kleidungsstil!“ Ich weiß es noch
ganz genau, was sie so trug – ein ganz lustiges Kleid, das kann man
schlecht beschreiben, das muss man live gesehen haben. Nun gut,
jedenfalls hatten wir 1 Stunde zusammen über Gott und die Welt
gesprochen. Wir sprachen darüber, wie ich mich fühlte, dann kam sie
und sagte: „Wohl wie ein Vogel im Käfig“, was genau zutraf, so
fühlte ich mich. Danach sprachen wir noch darüber, was für uns
Freiheit bedeutet.
Nach diesem tollen und lustigen
Gespräch fühlte ich mich total entspannt, und einen Moment lang
vergass ich sogar, dass ich im KH lag. Ich dachte nur noch, dass ich
diese Frau unbedingt wiedersehen möchte. Sie sagte mir auch, dass
sie die Woche noch im KH arbeite, und definitiv nochmals
vorbeischauen würde.
Am nächsten Tag kam ich wieder auf die
richtige Station. Ein paar Tage später kam Gunilla wieder, und wir
hatten wieder ein tolles Gespräch, woran sich meine Bettnachbarin
auch gerne beteiligt hatte. So hatten wir ein nettes Gespräch zu
Dritt.
Nach der Woche musste Gunilla nicht
mehr im KH arbeiten, da sie nur die Vertretung von jemand Anderem
war. Sie kam jedoch trotzdem noch ein paar Mal zu Besuch. An einen
Besuch erinnere ich mich noch sehr gut -
Ich saß da, in der Cafeteria, mit einer guten Freundin, mit einer Bettnachbarin - da kam Gunilla dazu. Kurz darauf kam die Schwester meiner Bettnachbarin noch dazu, und erzählte eine schlimme Geschichte, man kann schon fast sagen, tragische Geschichte über ihre Mutter, welche im KH lag. Da kam Gunilla mit ihrem Smoothie, hat ihn zuvor geschüttelt, und wollte ihn öffnen, dann gab es ein Chaos auf dem Tisch, überall lag Smoothie – da musste ich doch schmunzeln, aber wollte zu diesem Zeitpunkt wegen der Geschichte doch nicht loslachen, obwohl mir genau danach war.
Gunilla bekam ein Angebot von Herrn
Professor [Anm. GG - der Inneren Medizin, im Akut-KH im neubegründeten Palliativbereich] zu arbeiten – das empfand ich als eine super
Idee.
Endlich trat für mich der langersehnte
Tag auf. Ich durfte Mitte Juni 2015 das KH verlassen, zwar nur für
eine Woche, aber ich war überglücklich, dass ich mal in meine
Heimat, die Schweiz, zu meinen Liebsten fliegen durfte.
Leider kam alles anders als geplant,
und ich konnte wegen meiner Gesundheit erst fast 2 Monate später
wieder zurück nach Berlin. Unverhofft landete ich kurz nach meiner
Ankunft wieder im Akut-KH, und hatte wieder eine sehr schlechte Zeit –
ich pendelte zwischen der Intensiv/ Wachstation und der Normalstation
hin und her. In dieser schlimmen Zeit war ich froh, dass Gunilla für
mich da war, jeden Dienstag kam sie vorbei, und unternahm etwas
Lustiges mit mir. Ich freute mich also immer auf den Dienstag.
An einem Dienstag lag ich ziemlich kaputt auf der Wachstation, als Gunilla kam. Sie brachte mich zum Lachen. Sie brachte mir eine CD mit Alpenklängen [Anm. GG - Kühe, Kuhglocken, Wiesengeräusche] drauf mit, das beruhigte mich sehr. Als ich zum CT musste, begleitete sie mich, sie musste dann noch eines dieser wunderbaren Spuckbeutelchen für mich holen, und rief ganz leise vor meinem Zimmer „Hallo – Hallo – Hallo“ [Anm. GG - um die Schwester sanft zu rufen, aber auch um die Patientin zu belustigen] - es hörte sich sehr lustig an, sodass ich bei dieser Aktion auch wieder schmunzeln musste, obwohl ich von Schmerzen und Übelkeit geplagt war.
Nach den Dienstagen war Gunilla jedoch
nicht aus der Welt – wir hatten reglmäßig auch in der Zeit, als
ich in der Schweiz war, Kontakt via Whatsapp.
Es gab Dienstage, da ging Gunilla mit
mir und meinem Rollstuhl raus spazieren – erst kauften wir uns ein
Getränk, was wir auf dem Weg tranken und erkundeten die Gegend
außerhalb des KHs. Wir erlebten dabei viele lustige Dinge, und
hielten die Momente fotografisch fest. Wir fuhren über die
Autobahnbrücke, und versuchten Seifenblasen auf die Autobahn zu
lassen - leider flogen sie meistens immer in die Gegenrichtung. Auf
dem Weg lagen einige Zeichnungen mit Aufschriften wie „I love you“
und einem Herz auf dem Boden, - das mussten wir gleich auch
fotografisch festhalten.
An einem anderen Dienstag fuhren wir
wieder raus, und erkundeten die andere Richtung. Wir schauten uns die
Häuser in der Gegend an – da stießen wir tatsächlich auf ein
fliegendes Blatt [Anm. GG - ein tanzendes, sich drehendes Blatt, an einer
Spinnwebe], was wir beide sehr lustig fanden [Anm. GG - und lange beim
magischen Tanz beobachteten, wie in einem Film].
An einem Dienstag holte Gunilla Ihr
Kunst-Utensil aus einem Besprechungsraum raus, und wir gingen in den
Garten.
Als ich einen Moment lang alleine war,
malte ich das, was ich gerade sah, im Garten bzw. was gerade vor mir
stand, und machte mit dem Pustefix immer wieder ein paar
Seifenblasen. Doch plötzlich hatte ich wieder starke Schmerzen, und
konnte nichts mehr sagen, und mich vor Schmerzen kaum mehr bewegen –
ich war so froh, dass Gunilla und die Ärztin sehr rasch zur Stelle
waren, und mich ins Zimmer begleiteten. Gunilla blieb bei mir, bis es
mir ein wenig besser ging.
Ich erzählte Gunilla von meinem Plan,
mal einen Kurzfilm aus meiner Geschichte zu machen. Sie fand, dass
das eine sehr gute Idee sei, und wir sprachen ein wenig darüber.
Nun gut, schlussendlich erzählte ich
ihr auch, dass ich am Liebsten wieder in meine Heimat zurückgehen
will, und dies leitete sie an meine Ärztin weiter. Am nächsten Tag
erzählte mir die Ärztin, dass sie alles dafür tun würde, dass
mein Wunsch auch schnellstmöglichst in Erfüllung gehen kann.
Eine Woche später kamen meine Eltern
zu Besuch, und dann klappte es endlich, dass ich zwar ziemlich
abgeschwächt, aber sehr glücklich, mit meinen Eltern zusammen das
KH verlassen durfte. Ich war froh, dass ich ein Tag vor der
Entlassung noch schöne und lustige Stunden mit Gunilla erleben durfte.
Schlussendlich versüßte Gunilla meine
gesamte Krankenhaus-Zeit. Sie ließ mich kurzweilig vergessen, dass
ich überhaupt im Krankenhaus lag. Nach jedem Dienstag fühlte ich
mich richtig glücklich und zufrieden.
Aber auch nach wie vor pflegen Gunilla und
ich einen herrlichen Kontakt via Whatsapp - und sobald ich wieder in
Berlin bin, werden wir uns wieder treffen, sei es zu einem Prosecco
in Kreuzberg, wo wir beide leben, oder zu einem unserer herrlichen
Dienstage!
Ich freue mich schon riesig auf diesen
Moment!
Unvergessliche, wunderbare Momente
bleiben.
(07.10.2015)
Thanks web for pics - thanks L for pics - some pics are mine!
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