„Sehen Sie schon einen Fisch?“ |
Arbeit mit Stimmungs-Bildkarten mit palliativen u.a. Patienten
Arbeit mit den Karten „Heute bin ich“ von Mies Van Hout
Arbeit mit den Karten „Heute bin ich“ von Mies Van Hout
mit Patientinnen im Rahmen von
Palliative Care in zwei Kliniken
und in einem Beatmungszentrum
Manchmal habe ich das Glück mit
Patientinnen sein und arbeiten zu können, die genügend Ressourcen wie körperliche Kraft, einen
aktiven Geist, Neugierde und Staunen mitbringen, mit denen man einen
künstlerischen Prozess mit einem eigenen Produkt anregen kann.
Und ich wollte sie ausprobieren, ob sie
hilfreiche Freunde bei diesem Prozess sein könnten: Die
lustig-bunten Fische von Mies Van Hout. Mir erschienen sie als ideal,
eine Vielfalt an Anregungen für die Lust am Durchgucken und auch die
Gestaltung zu geben.
Ich habe allen drei Patientinnen das
Kartenset, Tonzeichenpapier, Ölkreiden und auch einmal zusätzlich Pastellkreiden (mit Fixation)
mitgebracht. Teilweise ebenso einen CD-Player mit Entspannungsklängen
zum Thema Meer (Meeresrauschen mit und auch ohne Musik).
Fallbeispiel 1 – Langzeitpatientin
(53) in einem Beatmungszentrum
„Der Schleierfisch“ oder wie eine
Patientin ihre Angst hintanstellt und die Freude nach vorn kommen
lässt
Ich besuchte die Patientin im
Beatmungszentrum schon seit längerer Zeit – gemeinsam hatten wir
schon so mache Minute gar Stunde der Freude erleben können – sie
sagte stets (ich las von ihren Lippen ab und was ich nicht verstand,
schrieb sie mir auf), dass es immer eine Erfahrung wert sei, sich
einzulassen auf das, was da kommen könne, wenn man sich auf eine
ästhetische Erfahrung einlasse. Wir hatten u.a. schon uns selbst mit
den Blind-Portraits porträtiert und großen Spaß miteinander
gehabt (siehe Wand-Galerie).
An diesem Montag sollte ihre
Trachealkanüle abgenommen und von der Beatmungsmaschinerie befreit
werden, damit sie alleine und mit ihren Lungen atmen könne. Das
machte ihr Angst, da sie merkte, dass ihr zarter Körper es
nicht wirklich leisten könne. Ich stellte die Probe aufs Exempel, und
versuchte ihre Aufmerksamkeit zu verlagern. Ich zeigte ihr die
Fische-Karten und ermunterte sie, spielerisch die gezeigten
Stimmungen zu erraten; sie war so gut, dass sie alle erriet, oder
zumindest nahezu richtig lag.
Dann fragte ich sie, ob ich einmal die
Ölkreiden auf dem Tonzeichenpapier ausprobieren dürfe. Sie bejahte
und dann fragte ich nach ein paar Strichen, ob sie denn schon einen
Fisch sehen könne. Und, was soll ich sagen, sie sah einen: zusammen
malten wir zwei Augen, einen üppig bunten Schwanz und abschließend
gestaltete ich noch Wasserpflanzen nach ihrem Gusto.
Ein Freund von ihr trat ein, und wir
fragten ihn, wie er das Bild nennen würde. Er nannte es „Der
Schleierfisch“ und das gefiel der Patientin gut. Als Letztes
schrieb sie den Titel auf die Rückseite mitsamt ihren
Anfangsbuchstaben und dem Datum. Dann hängte ich die Ausstellung der
Blind-Portraits mitsamt dem Schleierfisch an die Wand.
Die Patientin sagte, dass ihr der Fisch
sehr gefallen würde – er hatte es nicht nur geschafft sie
abzulenken, sondern darüber hinaus die Angststimmung hinten
anzustellen, während positive Gefühle an die Oberfläche bzw. nach
vorne kommen konnten.
Das gab ihr wieder eine Idee vom
lebendigen Ganz-Sein zurück – neugierig und vergnügt, neben
ängstlich und verwirrt. Und die Bilder-Ausstellung an der Wand ihrem
Bett gegenüber erinnerte sie nun an gute Momente mit positiven
Stimmungen, wenn sie alleine war und ihre Angst spüren musste.
*Der Schleierfisch* |
Fallbeispiel 2 – Patientin (45) in
einem Akut-Krankenhaus
„wohlig“ oder wie eine Patientin
ihren Idealzustand kreiert
Ich habe im Akut-Krankenhaus eine
Kollegin, Psychoonkologin, die mir manchmal gezielt Patienten ans Herz legt,
die nicht im Palliativbereich liegen, und für die die KT eine
Bereicherung sein könnte, wie auch in diesem Fall. Ich erfuhr, dass
die Patientin mit eigenem Gestalten schon Erfahrungen sammeln konnte.
Ihre derzeitige Situation war ungewiss, sie wartete auf ein klärendes
Gespräch mit dem Oberarzt. Daher war sie angespannt. Dennoch ließ
sie sich gerne auf unser kleines Experiment ein – zwischendurch kam
der Assistenzarzt der Station und erklärte, dass das Gespräch erst
am nächsten Tag stattfinden könne.
Auch ihr gab ich die Karten in die
Hand, und sie ließ sie alle auf sich wirken. Ihre gefielen die
positiven Fische-Stimmungen am Besten – mit den negativen wollte
sich sich in diesem Moment nicht belasten. Sie wollte nach vorn
blicken – für sich und ihre Angehörigen.
Es entstand schnell ein vom Betrachter
ausgehend nach links schwimmender Fisch – dann links eine Sonne –
Sonnenstrahlen, die den Fisch treffen. Wir betrachteten das Bild
immer wieder und ich fragte, was noch da hin gehöre. Es kamen noch
zwei kleinere Fische dazu – dann ein größerer direkt unter ihr.
Auf mein Nachfragen hin, identifizierte sie die Fische mit sich und
ihrer Familie. Sie benannte es mit dem Begriff „wohlig“, ein
Eingebettetsein in ihre Familienharmonie, alle beisammen, vom
Sonnenlicht angestrahlt, alle in eine Richtung blickend.
Ich hängte das Bild zu ihren anderen
Bildern. Wir betrachteten das Bild – ein weiterer Dialog begann –
und sie erzählte mir von einem Kind, dass sie vor wenigen Jahren
verloren hätte - es kam noch auf die Welt, aber wegen einer
Erkrankung des Gehirns lebte der kleine Sohn nur wenige Tage. Ich
fragte sanft nach, ob er nicht auch zur Fisch-Familie gehöre und
dargestellt werden sollte. Sie bejahte, freute sich darüber, dass er
dazukommen konnte – das Bild wurde mehr ganz – alle gehören dazu
– alle Lieben, die Lebendigen und auch die, die gehen mussten.
Ein bewegender Moment für uns beide!
So ehrlich, so liebevoll und einfach
ein Moment, in dem das Eingebettetsein in ein größeres Ganzes
herbeigesehnt, vielleicht gar auch ein wenig gespürt wurde.
Fallbeispiel 3 – Patientin (52) in
einem Palliativ-Bereich (Lungenfachklinik)
„STOLZ BIN ICH“ oder wie eine
Patientin zu ihrer kindlich-vergnügten Kreativität zurückfindet
Wir lernten uns das erste Mal bei einem
Gespräch mit der Palliativärztin auf Station an ihrem Bett sitzend
kennen. Die Patientin erschien mir sehr aufgeschlossen für die
Kunsttherapie und ihre Möglichkeiten, dennoch schilderte sie mir von
einer Begebenheit in einer Reha, in der die Therapeutin in einer
Kreativwerkstatt (ob Ergo- oder Kunst wusste sie nicht mehr) ihr
Perlen gab, mit dem Hinweis, sie sollte mal erspüren, was sich
zeigen wolle. Doch dieser Hinweis überforderte die Patientin und
ließ sie allein mit ihrem inneren Bewerter und Zensor. Ich
versicherte ihr, dass ich eine gute Begleiterin sei bei kreativen
Prozessen und sie an die Hand nehmen würde.
Ich kam am nächsten Tag wieder – der
Moment schien geeignet zu sein für unser kreatives Setting: Es war
genügend Raum und auch Zeit vorhanden, ebenso eine wohlwollende
Bettnachbarin.
Ich fragte sie, ob sie gerne etwas
Meeresstimmung hören wolle. Auf ihr Ja! hin stellte ich den kleinen
CD-Player mitsamt Meeresrauschen-Klang auf den Nachttisch – vorher
hatte ich ihr die Heute bin ich-Karten in die Hand gegeben mit
der Idee, sie einfach anzuschauen und vielleicht auch ein Bild zu
finden (oder mehrere), die ihr am besten gefallen würden.
Sie wählte sich den Fisch mit dem
Begriff „verwirrt“ aus. Auf mein Nachfragen hin, ob die Stimmung
etwas mit ihrer eigenen Stimmung zu tun habe, sagte sie, nein –
keine eigene Verwirrung derzeit (obwohl sie das kennen würde), der
Fisch mit seinem lustig gewellten Mund gefiele ihr so gut.
Sodann regte ich den kreativen Prozess
an. Zeigte ihr das schwarze Tonzeichenpapier und stellte die
Möglichkeiten der Öl- und Pastellkreiden vor. Ich fragte sie, ob
ich einfach mal den ersten „wilden“ Strich machen dürfe, und sie
bejahte. Dann ermunterte ich sie, eine Lieblingsfarbe zu wählen, und
einfach einen Punkt, gar Strich oder was auch immer zu setzen, dort
wo sie wolle. Alles ist richtig und fein, ein falsch gibt es in
diesem Prozess nicht. So waren wir schnell in einem fast lustigen
Dialog mit uns und dem Fisch – immer wieder Fragen
meinerseits, was der Fisch noch bräuchte, was noch fehlen würde, um
immer vollkommener zu werden. Aus einer Clowns-Nase wurde ein Auge,
eine Rübennase folgte, ein lachender Mund, eine Kette kam dazu,
einen Hahnenkamm in Neongelb etc.
Dann sagte sie, es sei nun fertig. Sie
sei so stolz über dieses Wesen, über sich. Ich regte noch zu einem
Titel an – half ein wenig mit, baute Wort-Brücken – und der
Titel sollte nun lauten „STOLZ BIN ICH“ - mitsamt Datum und
Namensnennung.
Und sie war stolz! Hätte sie es sich
doch nicht träumen lassen, dass ein kreativ-künstlerischer Prozess
so leicht sein könne. Sie kam sofort auf die Idee, sie könne mit
ihrer 11-jährigen Nichte malen – sie hätte Lust dazu, einfach mal
zu malen und nicht zu bewerten. Einfach tun, das ist wichtiger als
alles andere.
Schön ist das und so einfach!
Wenn es doch immer so einfach sein
könnte, wieviel glücklicher wäre da die Welt!
Alles in Allem, kann ich diese
Bildkarten sehr empfehlen – sie bieten zahlreiche Möglichkeiten
schnell in einen rührenden und einfach schönen Dialog miteinander
zu kommen, ebenso zu „spielen“, für den Moment spielerisch zu
sein.
Darüber hinaus lädt die Technik mit
schwarzem Tonzeichenpapier, Öl- und Pastellkreiden zu arbeiten, dazu
ein, das eigene Gestimmtsein zu gestalten, ob im kreativen Dialog
oder allein.
Für geeignete Erwachsene, die sich ihr
inneres Kind bewahren konnten, eine wahre Fundgrube an Möglichkeiten!
Danke an Mies Van Hout und die Fische
von „Heute bin ich“!
Dank an meine lieben Patientinnen, die
sich mutig mit mir in das kreative Spiel des Lebens gewagt haben,
danke auch, dass ich die Bilder, die entstanden sind, ablichten und
auch der Öffentlichkeit zugänglich machen darf!
Herzlich
Ihre und Eure
Gunilla Göttlicher
Fisch-Fee und Clowns-Fisch
Thanks web for pics - prozess-pics by me - Thanks for the great time with you!
And this wonderful card-set! THANKS!!!
Heute bin ich
Mies Van Hout
Karten-Set mit Briefumschlägen
arcari Verlag
Heute bin ich
Mies Van Hout
Karten-Set mit Briefumschlägen
arcari Verlag
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